Linkradar: Take me to the Gay Bar(illa)

Dieser Linkradar erscheint leicht verspätete nach einer (für mich) aufregenden Woche – Zuerst fand die von mir mit organisierte Winterschool „Social Turn in der Literatur(wissenschaft)“ in Münster, am vergangenen Freitag fand die „Next Level Conference“ in Dortmund statt, wo ich über „Games in der Gegenwartsliteratur“ sprechen durfte. Mit meinem Düsseldorfer Journalistikkurs habe ich über das neue Album von Haftbefehl gesprochen und mit den Münsteraner Studierenden die am Wochenende stattfindende Exkursion zu Hartmut Lange in Berlin vorbereitet. Zudem hat es der Poetry Slam unlängst aufs diplomatische Parkett geschafft, was noch aufregender ist als es vorderhand klingt. Der Bayrische Buchpreis wurde mit viel Getöse verliehen. Und der italienische Nudelhersteller Barilla hat mal wieder ein Problem. 

2012-08-07_15-56-10_09.09._mischa_sarim_ausschnittPoetry goes Politics: Seit geraumer Zeit verfolge ich den großartigen Skeptikblog indub.io des Poetry Slammers Misha Anouk (früher Mischa Sarim-Verollet, hier und hier auf LesenMitLinks), der sich dem ernsten Fach zugewendet hat. Sein Rowohlt-Sachbuch „Goodbye, Jehova! Wie ich die bekannteste Sekte der Welt verließ“, habe ich kürzlich in 1LIVE Plan B vorgestellt (hier geht es zum Beitrag mit Moderator Ingo Schmoll). Aber nicht nur der sympathische Mann aus Gibraltar ist erwachsen geworden. In der vergangenen Woche haben weitere Poetry Slammer beim Treffen der deutschsprachigen Außenminister ihren großen Auftritt gehabt. (Beitragsbild oben mit Bas Böttcher).

9783462308273_10Noch mehr Ehrungen: gab es beim Bayrischen Buchpreis. Abgeräumt haben Ulrich Herberts „Geschichte Deutschlands im 20. Jahrhundert“ und Thomas Hettches Roman „Pfaueninsel“. Recht kurios soll, diesem Deutschlandradio-Bericht folgend die öffentliche Jurydiskussion ausgefallen sein. Knut Cordsen geht ein auf die schnell thematisierten Sexszenen, „die ja schon Marcel Reich-Ranicki seinerzeit im Quartett am meisten interessiert hatten. Ganz in der Manier seines großen Vorbilds ging Denis Scheck  hart ins Gericht mit Nino Haratischwilis, Das achte Leben (Für Brilka): ‚Dieser Roman in der Reihung von Schicksal auf Schicksal auf Schicksal, der scheißt mich zu mit seinen Geschichten.‘

10509624_787531234640468_2526207540750114078_nHaftbefehl: Mehr muss kaum sagen, um Diskussionen loszutreten, in Uniseminaren auf WG-Partys, an der Bushaltestelle steht. Der Offenbacher Beinahe-Mechatroniker steht beispielhaft für jenen Social Turn, der bislang Unthematisiertes in die Spoken-Word- und Literaturszene zurückholt. Doch muss aufgrund dieses Textes von Daniel Haas festgehalten werden: Haftbefehl schreibt keine Lyrik. Er rappt. Das macht er auf interessante Weise, was ich hier und hier mit Max von Malotki in 1LIVE Plan B thematisiert habe. Gegen „KollegInnen“ aus dem Fixpoetry-, Verlagshaus J.Frank- und Kookbooks-Umfeld kommt er aber nicht an.Es reicht, dass Kendrick Lamar Haftbefehl bereits adelte.

401263_10150549163247617_1722697038_nGerade wurde zum 22. Mal der „Bad Sex in Fiction Award“ verliehen. Anlass, mit Max von Malotki in 1LIVE Plan B hier und hier unter anderem ein paar deutsche Autoren zu nominieren, die zu Unrecht bislang nicht ausgezeichnet worden sind. Den ersten Preis bekam in diesem Jahr übrigens Ben Okri für diese Stelle: “When his hand brushed her nipple it tripped a switch and she came alight. He touched her belly and his hand seemed to burn through her. He lavished on her body indirect touches and bitter-sweet sensations flooded her brain. She became aware of places in her that could only have been concealed there by a god with a sense of humour.“

167.539.647Nach Poetry Slam, Haftbefehl, Denis Scheck und Bad Sex in Fiction macht Thomas Glavinic den Kohl auch nicht mehr fett. Der österreichische Schriftsteller großartiger Bücher wie „Carl Haffners Liebe zum Unentschieden“ oder „Der Kameramörder“ ist gerade unter die Nackerten gegangen und hat sich bei Facebook gezeigt, „wie Gott ihn schuf“ und „was danach geschah“ (Bild rechts mit jugendfreiem Ausschnitt). Dem Boulevardblatt Österreich sagte Glavinic: „Ich wollte bloß auf scherzhafte Art darauf hinweisen, dass in sozialen Medien Nacktheit ein Vergehen darstellt, das Zurschaustellen von Gewaltvideos, die Bilder von geprügelten Kindern oder Hunden jedoch nicht.“

Konsuminventur

barilla_teaser_quer_m600x400Take me, Take me to the Gay Bar(illa): Maurizio Gasparri, der Vizepräsident des italienischen Senats, hat zum Boykott des Nudelherstellers Barilla aufgerufen, weil der Konzern inzwischen zu homofreundlich sei. Das vermeldet die Seite queer.de in diesem Beitrag Der 58-Jährige beklagte via Twitter, dass die Firma aus Parma nicht mehr die traditionelle Familie unterstütze, „sondern sich der Homo-Lobby unterworfen hat“. Er erklärte weiter: „Kaufen Sie nicht mehr Barilla.“ Vor einem Jahr hatte sich der damalige Barilla-Chef abfällig über Homosexuelle geäußert. Nach dem zu erwartenden Shitstorm ruderte Barilla zurück und avancierte zu einem mustergültig gegenderten Konzern.

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1 Kommentar

  1. […] für Gedankengänge.” Man könnte Strunks Sätze auf kommenden Buchmessenpartys abgleichen (oder mit der nächsten Verleihung des Bayrischen Buchpreises). “Das Verlangen, das Sprache anzetteln kann, vermag sie selber niemals zu stillen.” […]

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