„Wenn dein Körper aufgibt: Schrei lauter!“

Der abnehmende Mann Im Netz floriert eine eigene Fitness-Modelszene mit Stars wie Flavio Simonetti, dem „Retter der Dünnen“: Auch Männer werden mit übersteigerten Körperidealen konfrontiert. (Das Beitragsbild ist von Wikipedia und zeigt Arnold Schwarzenegger.)

Vergangene Woche ging es auf diesem Platz bereits um Fit- und Fat-Shaming aus weiblicher Perspektive. Freitag-Redakteurin Juliane Löffler hatte bereits angedeutet: Nicht nur Frauen, auch Männer werden täglich mit übersteigerten Körperidealen konfrontiert. Das betrifft selbstverständlich die In-acht-Wochen-zum-Sixpack-Männermagazine, geht aber weit darüber hinaus. Ich weiß, wovon ich spreche. Ich versuche seit Monaten abzunehmen, weil ich wie viele Frauen ständig mit meinem Nicht-Normgewicht konfrontiert werde. Ja, in den Medien, der Werbung und so weiter. Dabei dachte ich, ich hätte mit dem Ende meiner Jugend-Leistungssportzeit als 800-Meter-Läufer diese ganze Körperfettmessungstortur für immer hinter mir gelassen. Von wegen!

Ich habe inzwischen nahezu alles ausprobiert, vom Kalorienzählen über Joggingeinheiten vor dem Frühstück bis zu ermüdenden Saunagängen – von denen sich der abnehmende Mann besser fernzuhalten hat, da die FKK-Zone dem Fat-Shaming Tür und Tor öffnet. Es reichen da ein paar gezielte Blicke der anderen Saunagänger.

Die amerikanische Dating-App OkCupid hat im Profilfragebogen folgenden, für Männer wie Frauen zu beantwortenden Punkt zugelassen: „Wenn ein möglicher Partner übergewichtig wäre, wäre das ein No-Go.“ Antwortmöglichkeit A: „Ja, auch wenn sie oder er ein bisschen kräftiger wäre.“ Fast alle Frauen geben Antwort A an, manche auch Antwort B: „Ja, aber nur wenn sie oder er richtig fett wäre.“ Antwort D, „Nein, ich mag eigentlich stattliche Menschen lieber“, könnte ebenso gut ganz gestrichen werden. Von 100 zufällig angeklickten Profilen hat keine einzige Frau Antwort D eine Chance gegeben.

Eine Reaktion darauf ist, dass es mittlerweile eine große, auch in Deutschland florierende Fitness-Modelszene auf Youtube gibt. Da werden Body-Tipps gegeben und Stars wie Flavio Simonetti massieren die geschundene Männerseele. Er selbst nennt sich „Retter der Dünnen“, also quasi Retter für jene, die es mit dem Abnehmen übertrieben haben. Aber es ist schon klar, was er meint, denn „Retter der Dünnen“ könnte sich ja auch jede Pommesbude aufs fettige Schild schreiben.

Oberkörperfrei verkündet Simonetti das Selbstoptimierungsmantra: „Als ich das erste Mal Gewichte hob, lachte mich jeder aus. Aber ich wusste: Irgendwann wird sich mein hartes Training auszahlen. Dafür muss ich stets mein Bestes geben. Jede Stunde. Jede Woche. Und jeden Monat. Willst Du mehr? Es liegt an dir. Bist du bereit? Heute ist dein Moment. Deine Chance. Deine Möglichkeit. Las’ dich nicht unterkriegen, von niemand! Wenn dein Körper aufgibt: Schrei lauter!“ Das ist Fit- und Fat-Shaming in einem. Wer sich als Mann nur eine Stunde auf den Fitnessseiten von Youtube rumtreibt, mag danach nie wieder einen Schokoriegel essen. Denn man kriegt es ja nicht so ohne Weiteres aus dem Kopf: Bei OkCupid droht immer Antwort A.

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