Die schönsten Bilderbücher im Februar

Die geheimnisvolle Welt von Quallen, Sternenhimmel und Garten beschauen die schönsten Bilderbücher des Karnevalsmonats Februar – mit The Big Bang Theory, versteckten Tieren und einer versteckten Giraffe,

Selten stimmen Form und Inhalt ähnlich gelungen überein, wie in diesem schönen Kinder-Sachbuch. Es taucht durch die geheimnisvolle Welt der Quallen, schwebt galant vom Interessanten zum Merkwürdigen, als ahmte es die flanierende Art dieser geheimnisvollen Nesseltiere nach. Es beginnt nicht in den Tiefen des Meeres, sondern schaut dem entgegengesetzt nach ganz weit oben, dorthin, wo die Sterne blitzen. „Ich blicke zum Nachthimmel und sehe ein paar Fledermäuse lautlos vorbeizischen – bestimmt habt ihr die auch schon mal beobachtet, oder? Ich kann ihre ‚Silhouetten’ gut erkennen, weil sie sich gegen den Vollmond abzeichnen.“ Die Silhouette ist der Scherenschnitt-Leidenschaft des französischen Ministers Étienne de Silhouette entlehnt. Das erfahren wir vor den ersten Absätzen über Quallen und sind bereits gefangen von den schwerelos erscheinenden Illustrationen Michèle Gansers, in denen sich Korallenlandschaften nicht vom Wasser, sondern vom bestirnten Nachthimmeln abheben. Durch diese Verbindung von nächtlichem Himmel und schwarzem Wasser erscheint das Buch kindlich verwunschen. Es hebt sich so gänzlich vom lexikalischen Ansatz der „Was ist Was“-Reihe oder anderer erläuternder Sachbücher ab. Dennoch gibt es viel zu erfahren, zum Beispiel über die Bazinga-Quallen, die nach der Sitcom „The Big Bang Theory“ benannt sind, oder über die staunenswerten Regenerationsfähigkeiten der Jungtiere, bevor die schreckliche Medusa aus der griechischen Sagenwelt auftaucht; deren Haarpracht Biologen und erneut – auch Himmelsforscher inspiriert hat.

„Etwa den geheimnisvollen Medusa-Nebel, der sich hoch oben im Universum befindet, und zwar im Sternbild Zwilling; dieser verdankt seinen Namen den schlangenartigen Glasfäden, aus denen er besteht, die Astronom*innen fühlten sich einfach an das Haar der Medusa erinnern.“ Es ist eine doppelte Reise durch den Welt- und den Meeresraum, in dem Biologie und Etymologie, Sagenwelt und höherer Unsinn beschaut werden. Die giftigsten Quallen und überhaupt die giftigsten Tiere Australiens werden vorgestellt. Rätselspiele und Suchbilder unterbrechen die Exkursion. Nebenbei wird spekuliert, wie eine „Quallisch“-Sprache klingen könnte, und wie aus Quallen ein Quatschgedicht wird. „Eine Qualle, die will Qualität, / Wasser, Sonne, Mobilität, / sie will essen, sie will schweben, / will nicht an Land, / dort bleibt sie kleben.“ „Faszination Qualle“ ist ein Buch der Kontraste. Seine fein gearbeiteten, exakten Zeichnungen erinnern an die wissenschaftlichen Arbeiten des deutschen Mediziners und Zoologen Ernst Haeckel. Die Texte sind dem entgegengesetzt Plauderrunden und Gedankenreisen, hier informativ, da ostentativ unterhaltsam, noch für Kinder weit über das empfohlene Lesealter hinaus fesselnd wie die Nesseln einer Feuerqualle, ein Buch zum Schauen und Staunen, eine Einfühlung in die poetischen Möglichkeiten der Meereswelt. Michael Stavarič (Text), Michèle Ganser (Illustration): „Faszination Qualle. Geheimnisvolle Schönheiten“, Leykam, Graz/Wien/Berlin, 144 Seiten, 26 Euro, ab 6 Jahre

„Alula ist ein Ort, ein Wort und der Titel dieses Buches“, verrät der Klappentext. In Bildern, die aussehen, wie mit Kartoffeln gedruckt, erzählt der Schweizer Illustrator Reto Crameri zwei sich ergänzende Geschichten, die einmal vom Cover, ein anderes Mal von der Rückseite aus gelesen werden (von der U1 und der U4). Erzählt wird, wie ein Junge und ein Mädchen durch einen Garten streifen, zunächst einer streunenden Katze folgend durch Pflanzen- und Schneckenmeere, entlang hoch aufragender Bäume bis zu einem See, wo die gleichen Kinder der zweiten Geschichte ebenfalls eintreffen – sie sind von der anderen Seite aus kommend durch einen Urwald gezogen. Das mittig gesetzte Spiegelbild wird so zum Strukturprinzip eines Buchs, das auf den ersten Blick reduziert erscheint, dann jedoch zahlreiche Einfälle offenbart, ornamental versteckte Tiere, Zahlenspiele, direkte Bezügen von der einen zur nachfolgenden Seite. „Alula“ ist ein umfangreich durchgearbeitetes Gesamtkunstwerk, ein Buch, das den Geheimnissen Raum und den Räumen ein Geheimnis gibt. Für Entdeckerinnen und Entdecker ab 3 Jahre. Reto Crameri: „Alula“, Kunstanstifter, 56 Seiten, 24 Euro

Dieses monochrome Pop-Up-Buch ist gleichzeitig eine kulturgeschichtliche Weltreise, ein verträumter Himmelsführer und eine erstaunliche Rätselgeschichte. Es zeigt Nachtansichten verschiedener Länder, den Linolschnitt-Blick in den Sternhimmel Kyotos am 4. März, in den des mongolischen Mandalgobi vom 7. September, an anderer Stelle einen stolzen Vogel im Sonntagsstaat, „zum Gruße schlägt er schnell ein Rad. Blau, grün und golden die Federn flimmern, sämtliche Farben im Schwanze schimmern.“ Auf der ersten Ebene schaut jede Doppelseite in ein typisches Zimmer höchst unterschiedlicher Bewohnerinnen und Bewohner aller Teile dieser Erde. In jedem dieser Zimmer ist ein Fenster, dessen Laden aufgeklappt den Blick in den Sternenhimmel freigeben und ein Tierbild zeigen – das aber nicht eingezeichnet ist. Erst muss man raten, mit welchem Tier die unterschiedlichen Völker diese oder jene Sternenanordnung assoziieren. Das Rätsel wird gelöst, wenn man hinter diese Seite eine Lampe stellt, das Licht also durchs Papier schimmert und nun im Schattenriss beispielsweise eine Katze gezeigt wird, eine Giraffe oder der so lyrisch umschriebene Pfau. So erfahren wir, in welcher Weise Menschen seit Jahrtausenden die Nacht erklären, wir erfahren, dass der Himmel eben nicht stets das Gleiche zeigt. Nebenbei macht dieses Buch Lust auf eine durchwachte Nacht, um von den schönen Seiten aufblickend selbst hinaufzuschauen ins bestirnte Schwarz, wo nicht nur abertausend Sterne, sondern auch die unterschiedlichsten Tiere den Schlaf bewachen. Aina Bestard (Illustration), Mireia Trius (Text): „Geheimnisvolle Himmelstiere. Sternbilder in der Nacht“, aus dem Katalanischen von Ursula Bachhausen, Gerstenberg, 22 Seiten, 22 Euro, ab 8 Jahre

Jan Drees

Ich bin Redakteur im Literaturressort des Deutschlandfunks und moderiere den „Büchermarkt“.

Im Jahr 2000 erschien mein Debütroman „Staring at the Sun“, 2007 folgte ein überarbeiteter Remix des Buchs. Im Jahr zuvor veröffentlichte der Eichborn-Verlag „Letzte Tage, jetzt“ als Roman und Hörbuch (eingelesen von Mirjam Weichselbraun). Es folgten mehrere Club-Lesetouren (mit DJ Christian Vorbau). 2011 erschien das illustrierte Sachbuch „Kassettendeck: Soundtrack einer Generation“, 2019 der Roman „Sandbergs Liebe“ bei Secession. Ich werde vertreten von der Agentur Marcel Hartges in München.

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