Lokalperlen: Wenn so ein Mann…

Die Missfits boten Donnerstag und Freitag in der Stadthalle Comedy für Mütter, Töchter und mitgeschleppte Ehemänner.

„Domina wäre teurer“, erinnerten sie jene Anzugträger, die sich derweil zur Liebsten beugten, um dieser Treueschwüre abzunötigen. Soe konnten auch nicht ahnen, dass in den folgenden zweieinhalb Stunden mitnichten der Genderdiskurs durch schwere Waffenwahl in seine letzte Runde eingeläutet werden würde. Die Missfits, wie versprochen mit noch mehr Männern und diese gleich an Instrumenten, okkupierten zwar Tresenjargon und Fußballslang. Aber die befürchtete Rache für den seit Jahrtausenden währenden Chauvinismus blieb beinahe aus, erinnerte aufgrund ihres Witzes eher an ein Friedensangebot. „Die Männer sind der Humor vom lieben Gott.“

Süffisant war die Feststimmung bei den lachenden Frauen. Ebenfalls applaudierten die Männer manchmal unsicherer. Überhaupt fiel auf, wie gesittet die schmückenden Begleiter fast vorsichtig in der Pause Getränke im Vestibül reichten und Konversation pflegten. „Die trauen sich nicht“, sagte folgerichtig eine Zuschauerin.

Dabei fehlte es nicht an Missfits bekannten Karikaturen: Lehrerinnen sollten Sex mit Schülern und schlechte Laune haben dürfen. Dafür könnten Frauen gleichzeitig „bügeln, rauchen, telefonieren.“ Gut singen und gleichzeitig brillant unterhalten gehören nicht dazu, musste man bei den musikalischen Einlagen jedoch ergänzen. Das Eine schloss das Andere tatsächlich nicht aus. Viele Entertainer werden bekanntlich durch allzu hohe Noten domestiziert. Bei den Missfits war dies besonders auffällig, obwohl es niemand zu bemerken schien.

Gegen eine „Backstageboys“-Band wie die mitgebrachten fünf Profis fällt aber vermutlich jeder ab. Und was die an Männlichkeit nicht darzustellen wagten, wurde durch eine Nummer abgedeckt, als beide Damen zwei Müttersöhnchen in den besten Jahren eine Stimme gaben. Das Programm ist ein Ausflug in die zweite Dimension, in der weitsichtig das betont Platte menschlicher Reflexhandlungen und -gespräche offengelegt, auf die Bühne gehoben, zu Recht umjubelt in ausverkaufte Stadthallen getragen wird.

Jan Drees

Ich bin Redakteur im Literaturressort des Deutschlandfunks und moderiere den „Büchermarkt“.

Im Jahr 2000 erschien mein Debütroman „Staring at the Sun“, 2007 folgte ein überarbeiteter Remix des Buchs. Im Jahr zuvor veröffentlichte der Eichborn-Verlag „Letzte Tage, jetzt“ als Roman und Hörbuch (eingelesen von Mirjam Weichselbraun). Es folgten mehrere Club-Lesetouren (mit DJ Christian Vorbau). 2011 erschien das illustrierte Sachbuch „Kassettendeck: Soundtrack einer Generation“, 2019 der Roman „Sandbergs Liebe“ bei Secession. Ich werde vertreten von der Agentur Marcel Hartges in München.

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