Rezension: Vier Tage wach

Mit den besten Freunden tanzen, nächtelang feiern, dünn bleiben, Buße tun, der ewigen Jugend hinterher hechten, verwirrte Lieben leben, zwischen zwei, drei Bands stehen – berauscht sein: „Mausmakis blaue Pumas“ erzählt vom chemischen Heilfasten und der Angst, sich zu Tode zu feiern.

„Ganz grob gesagt geht es um Drogen und Bulimie, und auch um viele andere Süchte, alles was damit einhergeht. Von Tanzflashs über Ekstasen, bis hin zu Depressionen, Panikattacken, Schlaflosigkeit, Leere, diesem Suchen und Sehnen nach Erfüllung und Intensität und Leidenschaft. Kurz gesagt geht es um die Suche nach Gott oder dem eigenen Selbst.“ So charakterisiert die 29-jährige Mareile Kurtz ihren Partyroman „Mausmakis blaue Pumas“ und so viel kann schonmal verraten werden: Um Gott geht es nur in Rückblicken auf die Konfirmandenjugend ihrer 27-jährigen Heldin, die Angst hat, zu viel Party zu machen. Dem DJ-Gott wird trotz dieses Partymachens weniger gehuldigt – die Stars ihres Lebens, das sind andere, das sind die vielen „Social-Media-Narzissten“ genannten Ichs im Text.

Vier Tage, von Mittwochabend bis Sonntagnachmittag verfolgt der „autobiographisch“ genannte Roman in rotziger Scripted-Reality-Weise eine hedonistische Party-WG. Diese wird angeführt von der bald 28-jährigen Emma Fröhlich, genannt EMD-Emm-A. Gemeinsam kommen sie in Clubs rauf und im heimischen Wohnzimmer wieder runter. Sie reden eine Menge Unsinn, stürzen in „Seelen-Hangover“ und lästern über Modebloger-Ischen und Sex an the City-Weiber. Es gibt Besuche auf Druffi-Spielplätzen, die aus Sperrmüllsofas auf einer After-Hour-Lichtung errichtet werden. Die Autorin bezeichnet ihr Buch als „Sittengemälde der Generation Party“. Aus fast den gleichen Grundmotiven besteht auch „Nochmal tanzen“ von Maja Peter, einem kleinen, sehr schönen Kurzroman über die Freundschaft zwischen einer Schülerin und einer alten Tänzerin, der dennoch ein gegensatz zu „Mausmakis blaue Pumas“ ist. Denn dieses Buch ist unheimlich still, sehr zaghaft erzählt. Dennoch geht es um ähnliche Motive: um das Festhalten an der Jugend, der Unsicherheit beim Jungsein, um der Suche nach Gott, um Familienprobleme, Liebe und Sex, über „Adele oder Bon Iver“. Es ist eine Geschichte, die in poetischen Bildern erzählt wird, in Andeutungen.

„Mausmakis blaue Pumas“ kommt dagegen als ein lauter, dialoggetriebener Spass daher und liest sich, wie Rindercarpaccio aus Beinscheibe schmecken würde. Nichts für den feinen Geist und vielleicht gerade deshalb die prägnantere Alternative zur Diskurs-Popliteratur der Intro– und Suhrkamp-Schule, die eher für Seminar als die Clubtoilette geschrieben ist. Spaß, jeweils auf ihre eigene Weise, bringen einem beide Bücher, je nachdem, ob man lieber Bon Iver oder Deichkind hört. – Einige Querverweise stehen im pseudowissenschaftlichen Anhang des Romans: „Liebestänze“ von Rainer Schmidt und „Kommanda“ der Mediengruppe Telekommander oder auch Airens durchgeschalltertes „Strobo“. Die Geschichte erinnert weniger an „Rave“ von Rainald Goetz als ans ranzig-coole „Raven gegen Deutschland“ von Torsun und Kulla oder „Ausgehen“ von Barbie Markovic.

Mareile Kurtz: „Mausmakis blaue Pumas – Über chemisches Heilfasten und die Angst, sich zu Tode zu feiern“, Schwarzkopf & Schwarzkopf, 352 Seiten, 14,95 Euro

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