Linkradar: Die FSK für E-Books kommt

„Die deutschsprachige Literatur ist komplett durchsubventioniert“, beklagt Ulf Poschardt in seinem „Fack ju, Subvention“-Gedankenexperiment, das in der Welt erschienen ist, und seitdem die Branchengemüter erhitzt mit Beobachtungen wie diesen:. „Keine Groß- und fast keine Kleinstadt ohne eigenen Literaturpreis, unterschiedlich finanziert. Mal geht es über Stiftungen, mal über Kooperationen, mal ist das Land beteiligt. Dazu kommen Autorenstipendien und Stadtschreiberschaften (Bergen-Enkheim!). Schließlich der Deutsche Literaturfonds in Darmstadt, der eine bundesweite Autorenförderung betreibt. Der verteilt pro Jahr eine Million, die von der Kulturstiftung des Bundes kommt.“ Würde es deutschen Schriftstellern wirklich so goldig gehen, müssten sie frohlockend in ihre Zukunft blicken. Dass das alles ein wenig anders aussieht, hat mir Uwe Timm vor Kurzem erst bei meinem Besuch in München erzählt (weiter unten: in eigener Sache).

fsk18_catFSK: In einem Feld ziehen E-Books jetzt mit den Filmen und Videospielen gleich. Ab 2017 fallen sie unter die Bestimmungen der Freiwilligen Selbstkontrolle. Das Börsenblatt vermeldet, dass E-Books anders als klassische Papierbücher unter die Jugendvorschriften so genannter Telemedien fallen, also durch noch zu benennende Jugendschutzbeauftrate der Verlage mit den Hinweisen FSK 0, 6, 12, 16 und 18 gekennzeichnet werden müssen: „Eine pikante Note hat die FSK-Regel für E-Books mit eindeutig pornographischem Inhalt (bekanntlich ein stark nachgefragtes Segment): Sie dürfen künftig nur noch in geschlossenen Benutzerkreisen angeboten werden.“

Kamel_Daoud_par_Claude_Truong-Ngoc_février_2015Meinungsfreiheit: Gegen Prix Goncourt-Favorit Kamel Daoud (Bild) wurde eine Fatwa verhängt. In seinem neuen Buch tritt Gott als Seniler auf. Der Welt gab der Algerier hier ein Interview. Bemerkenswerter Einwand: „In Marokko kosten meine Romane umgerechnet 17 Euro, was gemessen an der Kaufkraft mehr als 150 Euro für die Käufer bedeutet. Ein Vermögen. Die Bücher der Islamisten dagegen werden gratis verteilt.“ Daoud sagt. „Nur Schriftsteller zu sein, ist sehr schwer. Und in der arabischen Welt ist es zurzeit geradezu unmöglich, sich nicht mit Politik und Religion zu beschäftigen. Man muss sich als Autor engagieren.“ – 2013 habe ich selbst den bedrohten Künstler Shahin Najafi getroffen.

lucy-fricke-540x3044793 Bilder: wurden geschossen anlässlich des Kunstprojekts „Megapixel Hildesheim“. Drei Freiwillige haben 24 Stunden ihres Alltags in automatischen Schnappschüssen festgehalten – die AutorInnen Lucy Fricke (Bild), Heinz Helle und Jakob Nolte entwickelten daraus drei Erzählungen, die am 18. Mai als Video im Netz veröffentlicht werden. Bereits am 13 Mai gibt es eine Liveperformance im Theaterhaus Hildesheim. Megapixel Hildesheim ist ein Projekt von Clara Ehrenwerth und Victor Kümel in Kooperation mit dem Salon e.V. Die beiden haben gemeinsam die Literaturzeitschrift BellaTriste herausgegeben. Seit 2014 entwickeln sie Formate, die Literatur, Technologie und Gesellschaft kombinieren.

978-3-87134-636-1.jpg.415008Langstrecke: Der großartige Reiseschriftsteller Helge Timmerberg hat endlich eine eigene Homepage – und wir alle unsere Freude, weil seine inspirierenden Videos eben dort gesammelt präsentiert werden. Vor drei Jahren traf ich Helge am Rowohlt-Stand auf der Leipziger Buchmesse (hier im Blog). Damals fragte ich ihn, ob er in Afrika neue Drogen entdeckt hätte und Helge antwortete: „Nein. Ganz Afrika kifft. ‚Was der Zahn der Zeit getan, das sieht der Lump als Besserung an‘, heisst es bei Wilhelm Busch und dazu kann ich nur sagen: Harte Drogen vertrage ich nicht mehr. LSD ist ja zum Beispiel eine harte Droge. Geht nicht. Nach Koks habe ich tagelang Depressionen. Ich bin auf Haschisch hängengeblieben.

IMG_6528In eigener Sache: Seit Mitte April sitze ich am Hegelplatz 1 in der Redaktion des Freitag rum – seit der aktuellen Ausgabe stehe ich auch im Impressum (Bild). – Das frühlingshafte Berlin lässt sich gut an. Gestern gab es einen Aperitif mit Uta Niederstraßer vom Berlin Verlag im Borchardt, davor die Woche Mittagessen in der benachbarten Kantine des Maxim-Gorki-Theaters mit Georg Diez, der hier im Blog, dort in meinem Deutschlandfunk-Feature auftaucht – und über den zusammen mit mir hier in Lille diskutiert wird. Neu im Blog ist mein Interview mit Uwe Timm. Und mit Hinweis auf diese Sache auf LesenMitLinks schreibt Thomas Brasch hier über Terror in der Literatur.

Pausenbild

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Seit vielen Jahren gibt es die schöne Foto-Interview-Reihe „Sagen Sie jetzt nichts“ im Magazin der Süddeutschen Zeitung. In der aktuellen Ausgabe wird Bestsellerautor Martin Suter (hier im Blog) und wenn man das obige Beitragsbild mit der zweiten Antwort eben hier vergleicht, muss man unweigerlich denken, was Dumont-Pressesprecherin Julia Giordano dazu auf Facebook kommentierte: „Distinktion und Image können so einfach sein!“

Konsuminventur


150424-utopia-news-fashrev-experiment-s_fashion-revolution_640x300-637x300Gewissensfrage: Der Utopia-Blog stellte in dieser Woche ein soziales Experiment vor, das die Konsumgewohnheiten westlicher Verbraucher auf gekonnte Weise hinterfragt. Zum Fashion Revolution Day, der auf die Arbeitsbedingungen in der Textilbranche aufmerksam macht, wurde am 24. April wurde in Berlin ein Automat mit 2-Euro-T-Shirts aufgestellt. „Wer zwei Euro einwarf, bekam statt des T-Shirts auf einem Bildschirm schockierende Bilder der Produktionsstätten gezeigt. Anschließend wurden die potenziellen Käufer vor die Wahl gestellt, das T-Shirt trotzdem zu kaufen oder das Geld zu spenden. Viele derjenigen, die kurz zuvor noch ein Billig-Shirt haben wollten, spendeten ihre 2 Euro.“

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