Fans elektronischer Musik kennen „Toktok“ durch ihr Album „Toktok vs. Soffy O. von 2002 und sie tanzen weiterhin zur Musik des bekanntesten Toktok-Mitglieds Anton Waldt. Anton Waldt heisst bürgerlich Robert Stadler und ist heute Chefredakteur des „de:Bug“-Magazins. Seit 1998 schreibt er Technokolumnen über den fiktiven Raver Tom, die zuerst im „Partysan“, von 2004 bis 2007 auf den „Berghain“-Flyern veröffentlicht wurden. Der nicht hoch genug zu lobende „Verbrecher Verlag“ hat nun unter dem programmatischen Titel „Auf die Zwölf“ die besten Tom-Texte veröffentlicht, illustriert vom Duo „Harthorst“ (natürlich ist der umtriebige Anton Waldt einer der Zeichner).
Eigentlich geht es in den Texten, vornehm ausgerückt, um das Verhalten geschlechtsreifer Großstädter zur immerwährenden Paarungszeit unter dem Einfluss bewusstseinserweiternder Stimulantien. Tom hängt ab beim „Dirty Donnerstag in der Proletenkneipe“, sein Motto heisst ganz schlicht „Techno my Dick“, er ist dabei, wenn Marc Spoon ausgebuddelt wird, er frühstückt „Schnapsmüsli und Acidwurst“, er ruft: „Doc Ecstasy muss her“ und mit seinen Kumpels trifft er sich zum „Flatrate-Saufen im Gastrobereich des Textildiscounters“. Dieses Buch ist der perfekte Teaser für „Strobo“, das Debüt vom Technoblogger Airen (gerade als Taschenbuch erschienen), ein schmutziges Brevier, das „geile Flitzer-Säue“, „Volldepps, voll deep“ abholt und Oldschool mit homosexuellen Phantasien übersetzt. Krass!
Wer es etwas weniger krass angehen lassen will: Techno-Jetztzeit-Mitschreib-Kollege Rainald Goetz („Rave“, „Mix, Cuts & Scratches“) hat gerade seinen Suhrkamp-Bildband „elfter september 2010 – Bilder eines Jahrzehnts“ auf den Markt gebracht, der Druffi-Girls beim Chill-Out im Sommer zeigt, Abrissszenen an der „Baustelle Schlegel“, Christian Kracht („Faserland“) beim Abhängen, Mavie Hörbiger beim Streichholzschachteltelefonieren, Moritz von Uslar tanzend, gewaltige Faune der Nacht, Westbam-Selbstbildnisse, „the Kruder Sessions“, Politik-Snapshots, alles unter der Überschrift: „Systemprotest“. Großartig.
Anton Waldt: „Auf die Zwölf“, mit Illustrationen von Harthorst, Verbrecher Verlag, 124 Seiten, 13 Euro // Rainald Goetz: „elfter september 2010 – Bilder eines Jahrzehnts“, Suhrkamp, 228 Seiten, 34,90 Euro