Anders als glücklich

Sarah Kuttner ist wieder da: Die 30-jährige Moderatorin hat ihren ersten Roman geschrieben. „Mängelexemplar“ heißt die Geschichte um Karo, eine depressive, verlassene Frau, die lange suchen muss, bis sie ihr Glück gefunden hat. Ein Gespräch sprach über Ängste, allererste Sätze und Sex als Verkaufsargument.

Alle Leute, Fans usw. haben Sarah Kuttner gesagt, dass sie das machen soll, aber sie hatte kein vernünftiges Thema: „Fans wünschen sich das immer mal wieder, mein Vater meinte, Du kannst doch gut schreiben, versuche doch mal ein Buch und der Verlag lässt natürlich immer mal wieder unauffällig anklingen: Frau Kuttner, wenn sie was geschrieben haben, sagen sie Bescheid.“ Sarah Kuttner dachte zuerst, dass das ein Ding der Unmöglichkeit ist, dass man dafür sehr viel studiert haben muss, dann habe ich, als ich das Thema hatte, es mal für mich zu Hause, heimlich versucht, ohne jemandem groß davon zu erzählen, und dann funktionierte es doch ganz gut.“ Geschrieben in 2 Monaten, Sommer 2008. „Ich hatte ein Gerüst gebaut, bevor ich losgeschrieben habe.“ Und dann waren es vier bis zehn Seiten! alle zwei Tage. „Ich habe dass dann einfach abgeklappert und mit Fleisch gefüllt.“ – „Und ich hatte nur ganz selten Momente, wo ich nicht wusste, wie es weitergehen soll.“ Sie hält es nicht für ein Phänomen, dass Leute aus den Fernsehen Bücher schreiben, das sei doch schon immer so gewesen. „Ich bin auch ein großer Emailschreiber, wenn es mal Probleme gibt und so. Sie nimmt sich übrigens NICHT wichtig, und sieht sich NICHT als ernsthafte Hochkulturschriftstellerin. „Ich denke gar nicht darüber nach, was das Schreiben und das Fernsehmachen miteinander vereint.“ Ein Interview.

Wie hast Du das so schnell geschafft? Naja, nicht wenn man so einen Fluss im Kopf hat, dann ist das nicht so eine Menge. Das höchste, was ich geschrieben habe, das waren zehn Seiten an einem Tag und da hatte ich das Gefühl – ah, das ist schon eine Menge.

War der erste Satz schwierig? Überhaupt nicht. Der erste Satz war als Allererstes da, tatsächlich. Der war da, bevor ich die Idee hatte, ein Buch zu schreiben. Ich sass im Auto und erinnerte mich daran, dass mir eine Freundin erzählt hatte, dass ihr Psychiater, genau das gesagt hat, nämlich: Eine Depression ist ein fucking Event. Und der war ausschlaggebend, der erste Satz, Ich habe daran gedacht und gedacht – wow, das wäre ein toller erster Satz für ein Buch und dann erst ist mir eingefallen – ja, warum eigentlich nicht ein Buch darüber schreiben, über dieses Thema und dann bin ich nach Hause gefahren und habe losgelegt.

„Mängelexemplar“ lesen ist ein bisschen wie fernsehen. Ist das Absicht, diese sehr direkte, unmittelbare Sprache? Natürlich werden in dem Roman Bilder gezeichnet, die man aus dem Fernsehen kennt, wie die Formulierung dass zum Psychiater oder zu einer Therapie gehen, wie ein Casting  oder so – in der Zeit lebe ich und ich das fand ich ein schönes Bild. Aber Karo arbeitet auch in dem Business, sie ist Eventmanagerin, deshalb ist das auch ihre Art, die Welt zu sehen. – Karo sollte ursprünglich in einer Tischlerei arbeiten, aber meine Freunde haben gesagt, das würde man mir nicht abnehmen, also hat ich mich an das gehalten, wovon ich Ahnung habe.

Karo ist depressiv und Du beschreibst, wie sie langsam aus dieser Depression herausfindet. Was machst Du, wenn sich bald die ersten liebeskranken Leserinnen melden, und von Dir Tipps haben wollen? Na, ich bin ja nicht die Mutti von den allen. Ich bin ja keine Praxis für Psychotherapie oder keine psychiatrische Praxis und wenn Menschen, denen es schlecht geht, dieses Buch lesen, dann können sie im besten Fall den richtigen Weg ja schon rauslesen und zwar – lasst Euch helfen, geht zu Ärzten und was Ärzte dann nicht ganzmachen können, kann ich dann natürlich auch nicht heile machen, insofern sehe ich mich da nicht als eine therapeutische Praxis.

Aber Du bist weiterhin als Moderatorin aktiv. Was machst Du gerade? Ich drehe immer noch, wir haben gerade die zweite Staffel von der Poetry-Slam-Sendung, die ich für den Sat1-Comedy mache, abgedreht und Kuttners Kleinanzeigen haben wir auch gerade die zweite Staffel gemacht und die kommt am 22. und 29. März in der ARD.

Welche Kleinanzeigen kommen dieses Mal vor?  Wir haben gestern mit jemanden gedreht, der seinen Kopf als Werbefläche zur Verfügung stellt, der würde sich da ein Logo reintätowieren lassen, und dafür will der dann ganz viel Geld, das war merkwürdig. Und dann haben wir mit jemandem gedreht, der Leute sucht, um gemeinsam einen Sarg für sich zu bauen und wir haben eine Frau, die eine Lamaherde verkaufen will  und jemanden, der einen Kurs für erotisches Schreiben macht und sowas alles.

In „Mängelexemplar“ gibt es selbstverständlich auch Sex. Weil sich das Buch dann besser verkauft – siehe „Feuchtgebiete“? Ach Quatsch, aber die kannst Du doch auch nicht ernst meinen, die Frage, denn selbst wenn ich vorhätte, über Sex zu schreiben, damit es sich besser verkauft, glaubst Du doch nicht, dass ich jetzt darauf antworte und sage – ja, ich habe es eigentlich nur geschrieben, damit es sich besser verkauft. Das ist nahezu ein Vorwurf, mein Lieber, Ich habe über Sex geschrieben, weil Sex tatsächlich stattfindet und wenn Sex stattfindet, dann kann man ja auch darüber schreiben, aber das ist ja kein Buch, das von Sex handelt. Ich glaube, es sind zwei Sexszenen drin und eine davon ist sogar eher sehr, sehr zärtlich und liebevoll beschrieben.

Sarah Kuttner: “Mängelexemplar”, Fischer, 272 Seiten, 14,95 Euro

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