Weihnachtstipp: „ich föhne mir meine wimpern“

Aus den turmhohen Stapeln dieses Jahres ziehe ich mit großem Gewinn das Lyrikdebüt der 28-jährigen Sirka Elspaß, dessen Titel „ich föhne mir meine wimpern“ Auftakt einer weiblichen Heldenreise ist – und mein Deutschlandfunk-Weihnachtstipp.

Ihr Krafttier hat dieses lyrische Ich unmittelbar nach ihrer schreckhaften Geburt gefunden. Es ist ein grinsender Hotdog: „an schweren tagen winken wir uns / vom topf aus zu / die wurst platzt auf / ich will eine narbe die aussieht / wie du“, dichtet Sirka Elspaß, die in ihrem Debütband den Sound der „Generation Z“ einfängt – um ihn liebevoll anzuschließen an die popkulturellen Archivalien der vorausgegangenen „Generation Y“.

Deshalb ist man vage erinnert an die Black Eyed Peas, wenn im Liebeskummer mehrfach die Refrainzeile „No, No, No, No“ da steht und man unweigerlich „don’t phunk with my heart“ anschließen will. Da hört die Figur jemanden sagen: „immer wenn es regnet begegne / ich dem himmel“ – und das klingt ebenso offenkundig wie offenherzig eben nicht nach Else Lasker-Schüler oder Gottfried Benn, sondern nach „A.N.N.A“, den vermutlich bekanntesten Song der deutschen HipHop-Band „Freundeskreis“.

Das Vergangene („ich schreibe weil ich denke / dass es mir nochmal nützlich sein könnte“) hat in diesen Gedichten ebenso Platz wie die Sorgen der „Last Generation“. Nur mühsam findet dieses Ich mit dem Hotdog-Krafttier zu sich selbst, „es ist so schwer ein mensch zu werden / aber ich will es unbedingt“, sagt es irgendwann, um am Ende des Bandes nicht nur sich selbst, sondern uns alle zu trösten: „niemand steht über den dingen / wir stehen alle mittendrin“.

„Ich föhne mir meine wimpern“ ist eine ironische Weiterdrehung des „narcisstic turn“, geschrieben im tiefen Bewusstsein, dass uns die Sprache weiterhin ein zweifelhaftes Werkzeug ist, um Welt zu beschreiben: „ich kenne viele wörter und keines / davon passt“. – Ich verschenke dieses stürmend-überschäumende Debüt allen, die nochmal neu anfangen möchten mit der Gegenwartslyrik, allen, die bei „Hamburger Schule“ an Blumfeld und nicht an Pausenhof denken, allen, deren Herz aufgeht, wenn sie beim Lesen von Gedichten mitsummen wollen und dabei verstehen, wie es sich anfühlt zu denken: „ich wünschte ich wäre ein chor / und hätte verschiedene stimmen / ich hätte einen chor in mir / der jetzt mit ganzer wucht besingt / was los ist.“

Sirka Elspaß: „ich föhne mir meine wimpern“, Suhrkamp, 80 Seiten, 20 Euro

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