Lokalperlen: 12.000 Beweise für eine große Leidenschaft

Zwischen Carrera-Bahn und Plattensammlung: Sven Schäfer liebt Wuppertal und liebt die Musik. (Das Beitragsbild ist von Wikipedia, fotografiert von Stefan Dittner)

Die Holzlokomotive fährt tischgroße Runden in Sven Schäfers Büro an der Kohlstraße 155: „Die Carrera-Bahn habe ich gestern Abend abgebaut, damit wir Platz haben“, sagt der 33-Jährige, während er in der Küche Limonenschnitze fürs Mineralwasser schneidet. Er setzt sich auf den weißen Flechtstuhl und schaut entspannt zur Vinyl-Plattensammlung. – 12.000 Exemplare besitzt der Labelgründer und Raveline-Chefredakteur Schäfer inzwischen. Das sind 12.000 Beweise für eine Leidenschaft: die Musik. Die anderen Leidenschaften heißen: Schäfers langjährige Freundin Nicole, der gemeinsame Sohn Sam, drei Jahre alt, und Wuppertal. „Grün, hügelig, San Francisco Deutschlands“, begründet Schäfer mit oft Zitiertem. „Woanders gibt es vielleicht auch Berge, zum Beispiel in Stuttgart. Aber da sind die Hänge nicht so dicht bebaut wie bei uns.“

1990 hat Schäfer sein Abitur am Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium absolviert, also am gegenüberliegenden Hang. Wenig später legte er im Elberfelder „Korova“ auf: HipHop, RNB, House. Nach dem Wehrdienst folgten weitere DJ-Jobs. Tagsüber machte Schäfer ab 1991 eine solide Ausbildung als Groß- und Einzelhandelskaufmann bei den Werkzeuglieferanten von Storch am Platz der Republik. – Doch freitagnachts stand er, weniger solide, hinter den Plattentellern; plocken und rocken, bis 1995.

Da kündigte Schäfer den Job endgültig und verfasste beim Electro-Musikmagazin Nummer ein, der „Raveline“, erste Artikel; zuerst als freier, dann als fester Mitarbeiter. 1998 – Schäfer legte inzwischen in der „Must“-Bar auf, folgte der Ritterschlag mit dem „Technolexikon“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf). Schäfer ist Herausgeber des Szene-Standardwerks. Vermutlich war dieses Buch eine von vielen Vorarbeiten für einen ganz besonderen Anruf, der zwei Jahre später folgte.

Da lockte das Label Eastwest den Wuppertaler nach Hamburg: ein Wechsel von der sekundären DJ- und Redakteurstätigkeit zur primären Produktion. In Hamburg entdeckte Schäfer als A&R-Mann (Artist & Repertoire) unter anderem die großartigen „Elektrochemie LK“. Er wohnte „auf Schanze“ und bereitet sich auf den kommenden Schritt vor. Ende 2001 rief Universal an und bot Schäfer sowie Eastwest-Kollege Axel Lünebach einen so genannten Labeldeal an, finanzielle Unterstützung für zwei Jahre.Die beiden Herren schlugen ein, gründeten Silly Spider und holten bekannte Leute wie Trance-Held Armin van Buuren, Kid Q, Gipsy und Syke’n’Sugarstarr ins Boot.

So viel zum Status Quo. Syke’n’Sugarstarr werden Freitagnacht die wuppertalweit angekündigte Party bespielen. Sven Schäfer, seit Anfang des Jahres als Chefredakteur zur „Raveline“ heimgekehrt, wird ab 23 Uhr vermutlich staunend im Keller stehen, wie bei der letzten „Casa Rosso“-Veranstaltung, mit Augen die leuchten wie die seines Sohnes, wenn der in Papas Büro mit der Holzlokomotive spiele darf; und, falls kein Besuch erwartet wird, auch mit der Carrera-Bahn.

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