Linkradar: A la, la, la, la Longlist, Non-Books, Carolin Emcke

„Sagt der Arzt zum Schriftsteller: Tut mir leid, Sie haben nur noch maximal ein Jahr zu leben. Sagt der Schriftsteller: Wovon denn?“ – Mit diesem Scherz kündigt Anselm Neft auf Facebook seinen neuen Roman „Vom Licht“ an und sorgt für einen guten Start in diesen Hochsommertag. An diesem Dienstag wird übrigens die Longlist für den Deutschen Buchpreis bekanntgegeben und ob „Vom Licht“ vertreten ist, weiß ich selbstverständlich nicht und lese stattdessen die BuchhändlerInnenstimmen zur Liste, zusammengetragen von Sophie Weigand, die wiederum selbst Jurymitglied ist für den Virenschleuder-Preis 2016. Gestorben ist in den vergangenen Woche der DDR-Schriftsteller Hermann Kant, an den Angela Gutzeit in ihrer „Büchermarkt“-Sendung im Deutschlandfunk erinnert.

047_2400_167049_xlDoppeldeutig oder nicht: Der Manesse-Verlag wird bald Erzählungen von Zelda Fitzgerald veröffentlichen. Der Titel „Himbeeren mit Sahne im Ritz“ hat Kollege Stefan Koldehoff und mich am gestrigen Montag rätseln lasen, ob eine sexuelle Konnotation hörbar ist. Die Zeile stammt aus einer der Geschichten von F. Scott Fitzgeralds Gattin. In „Die erste Revuetänzerin“ wird Gay vorgestellt, deren auffälligstes Merkmal ihre Art ist: „man hatte fast den Eindruck, sie spielte sich selbst.“ Jeden Tag sitzt die, die „fraglos die beste Figur von ganz New York hatte“, im Japanischen Garten des „Ritz“ und isst Himbeeren mit Sahne. Hinter diesem stillen, mehrdeutigen, inszenierten Bild steckt die Tragik eines Lebens, das am Ende in ein paar Zeilen am untern Ende der Zeitungsseite zusammengefasst und erst in der Geschichte eine melancholische Würdigung erfährt. Dabei war es so: „Gay hatte in der ständigen Sorge gelebt, die Romantik könnte ihr abhandenkommen, doch sie hätte nicht dafür sterben dürfen: Sie war eine zu gute Gefährtin und zu hübsch.

3293100104Verhaftungen: Die Türkei kommt nicht zur Ruhe. „In Istanbul wurde vergangene Nacht die Schriftstellerin Asli Erdogan verhaftet, weil sie für eine kurdische Zeitung arbeitete“, berichtet die NZZ hier am 17. August. „Wie schön war das Bild, das die Türkei im Oktober 2008 von sich zeichnete, damals, als das Land Ehrengast der Frankfurter Buchmesse war“, erinnert die F.A.Z. Auch ich habe damals Asli Erdogans „Die Stadt mit der roten Pelerine“ gelesen (im Unionsverlag erschienen) und weiß noch von diesem an Pina Bausch erinnernden Satz: „„Ekstase, Trommeln, Tanz, Tanz, Tanz, Tanz.“ Bereits am 28. Juli hatte Sascha Feuchert, Vizepräsident des deutschen PEN, im DLF-Gespräch mit Stefan Koldehoff (siehe oben) von „Einer Art Lynchstimmung“ gegen Schriftsteller gesprochen. Eben dieses Gespräch postete später PEN Austria auf Facebook mit dem Hinweis: „Da in zahlreichen Zeitungen Österreichs die haltlosen Vorwürfe von Elfriede Jelinek kommentarlos abgedruckt werden, ist es mehr als

Elfriede_jelinek_2004_small_croppedangebracht, diese klaren Aussagen unseres deutschen Kollegen zu veröffentlichen. Wir bitten diesen Beitrag so oft wie möglich zu kommentieren und zu teilen. Dies unterstützt unsere Arbeit, die wir uns nicht schlecht reden lassen, weil eine Autorin eine Schlagzeile für sich wünscht. Zeit ist nämlich genug vergangen, in der sie ihr Bedauern hätte ausdrücken können. Zur intellektuellen Redlichkeit gehört unabdingbar die klar vernehmbare Entschuldigung, wenn man sich geirrt hat.“ Die Literatur-Nobelpreisträgerin hatte den Schriftstellerverbänden Untätigkeit vorgeworfen und eine große Debatte entfacht.

img_C_201608031628_56_3Zur Lage der Independent-Verlage: Der Buchreport fasst hier die Einschätzungen zum sogenannten Indiebuchmarkt zusammen, unter anderem jene vom Berliner Verbrecher-Verlags-Verleger Jörg Sundermeier („Die Vergabe von wichtigen Literaturpreisen an kleine Verlage hebt auch die Stimmung bei uns anderen“ / Bild links), und von Peter Reichenbach (Mairisch), der ausführt, in welcher Weise der Indiebookday Karriere gemacht hat. Sorge bereiten der Szene das VG Wort-Urteil und das Wegbrechen des Mittelfeldes (oder -standes?), also eines Bürgertums, das nicht mehr liest, keine Museen und keine Theater besucht.

Thomas MannZu verkaufen, für 15 Millionen: ist das Haus von Thomas Mann in Pacific Palisades, oberhalb von Los Angeles (489 Quadratmeter, fünf Schlafzimmer). Hermann Kurzke erinnert im Deutschlandfunk-Gespräch mit Dina Netz daran, dass kein einziges Haus des Literatur-Nobelpreisträgers öffentlich zugänglich ist. „Pacific Palisades, wenn man das wirklich kaufen könnte, das wäre eine großartige Sache. Das wäre typisch für das Exil, es wäre typisch für den Weltbürger Thomas Mann. Man könnte Thomas Mann in Amerika dort zusammenfassen, da gibt es ja Sammlungen, Forscher, Stätten, es gibt nebenan die Villa Aurora, wo Lion Feuchtwanger gelebt hat“ Die Furcht ist groß, dass ein neuer Käufer das 1941 erbaute Haus abreißen könnte – der Name Thomas Mann taucht in der Ausschreibung nirgendwo auf.

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Vom Übersetzen: sprach Carolin Emcke, diesjährige Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels bei der Eröffnung der Ruhr-Triennale. „Es braucht Übersetzungen der Begriffe und Werte, die ausgehöhlt und verstümmelt worden sind, es braucht eine Übersetzung von Normen in Anwendungen, es müssen Begriffe in Erfahrungen übersetzt werden, damit sie vorstellbar werden in ihrer Substanz, damit wieder deutlich und nachvollziehbar wird, woraus sie bestehen, damit erlebbar wird,  wann und warum der Rechtsstaat einen schützt, dass subjektive Rechte nicht nur passiv vorhanden, sondern dass sie auch aktiv einklagbar sind.“

Konsuminventur

sized.Ich - einfach unverbesserlichVier- bis 12-Jährige: Minions, Ice Age und Spiderman sind deren Bestseller auf Mäppchen oder Brotdosen, meldete das Börsenblatt in einer „Non-Books“-Ausgabe, über die wir hier im „Büchermarkt“ berichtet haben. Wer heute in eine Buchhandlung geht findet neben Shakespeare`s Werk und Coelhos Beitrag allerhand Sammelsurium, das nicht einmal ansatzweise mit Romanen in Verbindung gebracht werden kann: Kaffee, Wein, Kunst, Staubwedel aus Straußenfedern, Gesellschaftsspiele. Beliebt sind auch Bundles (Bücher mit Lebensmitteln). In München verkaufen eine Buchhandlung und ein Bäcker gemeinsam ihre heiße Waren, weil jeder für sich allein nicht überleben könnte. Mit Non-Books wird fehlender Umsatz kompensiert. Bei Thalia liegt der Non-Books-Anteil bereits bei 20 Prozent.

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