Sonntags fragen: Literaturbewertungen?

Gelbe Sterne zu vergeben – das haben sich weder Amazon, noch LovelyBooks oder Goodreads getraut (IMDb schon, Ebay sowiesodie lang zurückliegende Debatte dazu ist skurril und hier nochmal aktualisiert). Aber darum soll es jetzt nicht gesehen, sondern: Wie wird Kunst bewertet? Wie wollen wir Kunst bewertet haben? Eine Umfrage.

Getsern auf der lit.FUTUR-Tagung in Hildesheim wurde sowohl auf dem Podium als auch auf den Bierbänken draußen immer wieder darüber gesprochen, wie Literatur geordnet, kanonisiert, empfohlen werden kann. Ein Mehrwert scheint in Sternchenbewertungen zu liegen, in Durchschnittsberechnungen, aber auch personalisierten Tops & Flops. Nur: Was sagen Rankings über Literatur aus, sind Warnungen vor Büchern sinnvoll? Könnte man nicht ebenso gut mit Smiley- und Blumen-Stempeln arbeiten?

Daheim nochmal bei Roberto Bolaño reingeschaut – in diesem Video: „Es gefielen ihm Dinge, die mir auf den ersten Blick schrecklich vorkamen. Ich dachte: Wie kann ihm das bloß gefallen? Dann erinnerte ich mich aber an etwas, das er einmal gesagt hatte, nachdem er als Jurymitglied an einem literarischen Wettbewerb teilgenommen hatte. Nämlich, dass die besten Werke von Autoren waren, die noch nie geschrieben hatten und die auch nicht schriebe konnten, die aber trotzdem interessante Dinge zu erzählen hatten. Die professionellen Schriftsteller hätten dagegen sehr wenig zu erzählen.“

Die Fragen, die ich nun gern in den Raum stellen würde: Helfen Euch Sternchenbewertungen? Wie ausschlaggebend sind sie für Eure Kaufentscheidung? Ist es sinnvoller, aus drei, fünf, zehn oder evtl. sogar noch mehr Sternchen auswählen zu können? Wo und was und weshalb bewertet Ihr (Produkte, Hotelübernachtungen, Staubsauger, CDs, Bücher etc.)?

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12 Kommentare

  1. Hallo Jan,

    die Diskussion gibt es ja schon sehr lange – ich privat gehe nicht nach den Sternen, sondern nach dem Inhalt der Rezensionen und hierbei können für mich selbst schlechte Rezensionen trotzdem eine Empfehlung sein. Die Sterne allein (und statt Sternen könnte es natürlich jedes andere beliebige Symbol sein) sind es für mich nicht – viele andere Käufer bieten sie aber Orientierung.

    Prinzipiell sollte man sich natürlich immer nach dem Text richten – was aber auch für andere Produkte gilt, nur eine Waschmaschine hat eben andere bzw. einfachere Aufgaben als ein Buch und ist daher auch einfacher zu bewerten – aber viele Leser bzw. Käufer haben nicht soviel Geduld und dann reicht ihnen ein Kurzzitat oder eine optische Bewertung.

    Aber nachdem sowieso jedes Buch anders gelesen und dementsprechend anders bewertet wird, gibt es die neutrale Bewertung ja gar nicht. Es muss sich eben jeder aus der Mischung der bis zu diesem Moment statt gefundenen Rezensionen und Sternen eine Meinung bilden.

  2. Ich vergebe selbst keine Sterne, aber wenn ich mir über eine Kaufentscheidung unsicher bin, gucke ich in die Sterne (haha). Und zwar überfliege ich die besten Bewertungen und schaue mir die schlechtesten Bewertungen genauer an. Oft finde ich darin eine spezifische Kritik, die mir Aufschluss darüber gibt, ob ein Buch etwas für mich ist. Wenn sie aus einer Position geschrieben, die ich nicht teile, dann spricht das nicht unbedingt gegen das Buch, eher dafür. Oder es ist beschrieben, dass genau das in dem Buch fehlt, das ich mir von dem Buch wünsche. Das finde ich hilfreich.
    Addierte Gesamtsternchenbwertungen sind mir dafür pupsi.

    (Das gilt allerdings eher für Sachbücher, bei Literatur-Literatur gelten andere Kriterien, für die die Sterne nicht wirklich taugen.)

  3. Ich versuche seit einiger Zeit „goodreads“. Meine Erfahrung als Bewerterin: Sterne zu vergeben finde ich oft schwer. Es gibt die Bücher, die ich sofort liebe – 4 oder 5 Sterne. Es gibt die Bücher, die ich nicht mag: 1 Stern. Das passiert aber selten, weil ich relativ sorgfältig auswähle. Das heißt, ich folge Leuten mit ähnlichem Geschmack. Denn Bücher und Musik sind sehr persönlich.
    Dazwischen gibt es eine große Spannbreite von Büchern, bei denen ich unsicher bin. 2, 3 oder sogar 4 Sterne? Wenn ich sie zu Ende lese, heißt das, dass sie nicht ganz schlecht waren. Irgendwas hat mich interessiert. Die Geschichte? Einzelne Passagen? Andere Dinge mochte ich nicht.
    Die Sterne-Bewertung hilft hier nicht weiter. Also nachdenken, sich hinsetzen und was schreiben. Nur: Das Nachdenken über ein Buch dauert ja manchmal einige Zeit. Und da ich ungeübt bin, dauert auch das Schreiben. Ich arbeite dran.

  4. Ich sehe es ähnlich wie Ada Mitsou.

    Sternchen sind für mich eine grobe Orientierung, nicht mehr und nicht weniger. Literatur ist schließlich so vielfältig, funktioniert manchmal auf sovielen Ebenen (oder eben auch nicht), dass man sie unmöglich in ein paar Sternchen pressen kann. Ich habe schon Bücher begeistert gelesen, die an anderer Stelle erschreckend wenig Sternchen hinter sich versammeln konnte und umgekehrt Bücher beiseite gelegt, die an anderer Stelle frenetisch bejubelt wurden.

    Mit Literatur ist es eben ähnlich wie mit Filmen oder Musik, die Subjektivität wird immer eine große Rolle spielen. Ebenso die Erwartungen, die man an Literatur stellt. Jemand, der von Literatur Antworten erwartet, Wissenserweiterung oder tiefgründige Gefühle, der wird ein Buch mit anderen Augen beurteilen als jemand, der liest, um sich zu entspannend und zu unterhalten. (was ich keineswegs herabwürdigen will, es ist bloß eine völlig andere Herangehensweise an Lektüre)

    Grundsätzlich sind Sternchen vielleicht ein Wegweiser in die ein oder andere Richtung, aber keineswegs ein in Stein gemeißeltes Urteil. Ich verwende bei meinen Rezensionen überhaupt keine Sternchen, Herzchen, Blümchen oder was man noch alles einbauen kann. Ich verlasse mich auf meinen Text und auf die Zitate aus den Büchern .. und hoffe, dass das die Orientierung in die eine oder andere Richtung erleichtert.

  5. Ich tue mir mit diesen Sternchen oder anders genannten Bewertungen auch sehr schwer, verwende bei meinen Besprechungen keine, sondern schreibe, um was es in dem Buch geht, wie ich dazu stehe und halte mich bei meinen Leseentscheidungen auch nicht daran, ob das jetzt ein zwei oder fünf Sternchen hat, weil das sowieso sehr subjektiv und unterschiedlich ist. Interessant ist es dann, die Besprechung zu lesen und die Unterschiede der Bewertungen zu vergleichen, da habe ich schon einiges daraus gelernt, ansonsten denke ich nach wie vor, ein Buch ist keine Ware, man sollte es lesen und nicht bewerten, sondern stattdessen vielleicht auf sich wirken lassen und schauen was es mit einem macht und wie es einem oder einer beim Lesen geht.

  6. Im Grunde ist es vollkommen Wurst, weil meine persönliche Bewertung von einem Buch eben eine subjektive ist. Ich vergebe Sterne, weil es aber eben Leute gibt, die meine Rezensionen nicht lesen wollen/können/keine Zeit dafür haben/ich manchmal nichtmal eine schreibe/whatever… Für diejenigen ist es eine Orientierungshilfe, aber keine allgemeingültige Meinung.

    Wenn ein Buch durchschnittlich mit 3 Sternen bewertet wurde – ist es dann einfach Mittemaß oder polarisiert es, weil die Bewertung mit 3 Sternen aus genausovielen 1 Sterne- wie 5 Sterne-Bewertungen zusammenkommt?

    Die Sterne, Herzchen, Bewertungspunkte, whatever sind Richtwerte, aber man daran keine allgemeingültige Meinung festmachen.

    Ob ich ein Buch lese oder nicht richtet sich in erster Linie nach dem Inhalt – spricht er mich vollkommen an, wird es gelesen. Bin ich nicht vollkommen überzeugt, kann ich mir Freunde oder Meinungen aus dem Netz suchen, die mir näher Aufschluss geben. Aber letztlich muss ich wissen, was ich will und wenn mich ein 1 Sterne-Buch trotzdem anspricht, dann ist es eben so.

    Sie können bei der Orientierung helfen, werden oft aber auch zu leichtfertig vergeben – auch von mir.

  7. Sorry – jetzt habe ich hier so lange gebraucht, dass meiner natürlich nicht mehr der erste Kommentar war:))

  8. Na, dann mache ich hier mal den Anfang (gleich vorweg: ich war nicht auf der litfutur, es ist also wahrscheinlich, dass ich bereits Diskutiertes hier wiederhole, aus Unwissen.)
    Ich halte Leseerfahrungen für eine sehr persönliche Geschichte. Meine (ähnlich sozialisierte, sehr geschätzte und ähnlich ausgebildete) Freundin und ich machten immer wieder die Erfahrung, dass keiner von uns tatsächlich voraussagen konnte, was dem anderen gefällt und was nicht. Die eigene Leseliste, der eigene Kanon ist etwas recht Individuelles, was in der Regel nur wenige Überschneidungen mit den literarischen Erfahrungen anderer aufweist. Ich lese liebend gerne Rezensionen, folge Twitter-Empfehlungen (ganz ohne Sterne), und greife immer wieder zu Büchern, die im Zug „vergessen“ worden sind. (Etwas, das ich mit guten Büchern auch gerne tue:)) Da sind auch keine Kategorisierungen drauf.
    Von der „Anwenderseite“ her: Mir fiele es schwer, einem Buch 1-5 Sterne zu geben. Ich glaube, das könnte ich nicht – zu pauschal. Ich gebe dagegen so Dinge von mir wie: Lies das mal, Stil ist interessant, Geschichte sehr alltäglich, dafür ist das Motiv soundso wirklich schön beschrieben… nun, blabla. Aber dann weiß derjenige, dem ich ein Buch in die Hand drücke, wenigstens, was genau ich mit „Ich gebe dem Buch 2,7 Sterne“ meinen könnte:) Zu dem Thema ist sicherlich noch einiges mehr zu sagen, aber ich will hier nicht den Orden für den längsten Kommentar:) Stattdessen aber bitte ich alle, die sich in diese Diskussion einschalten, um folgendes: Egal, ob Sternchen oder nicht: Bitte denkt auch an Leser wie mich und schreibt fleißig weiter Rezensionen und (differenziertere) Empfehlungen in Social Media. ICH finde DAS großartig! (5 Sterne dafür:))

  9. Mich beeinflusst dieses Bewertungssystem in meiner Kaufentscheidung nur minimal und meist nur dann, wenn sehr viele Leser zu einer äußerst positiven oder äußerst negativen Bewertung tendieren. Das heißt jedoch nicht, dass ich ein Buch aufgrund dessen automatisch ablehne, denn eben weil es sich um so ein detailloses, grobes System der Bewertung handelt, fehlen mir weitere Argumente, die für oder gegen einen Kauf sprechen.

    Genau das fasst es vortrefflich zusammen.

  10. Die Vergabe von Sternen ist für mich lediglich eine grobe Orientierungshilfe inmitten einer Sammlung von subjektiven Meinungen zu einer Sache (in meinem Fall Buch) und zugleich ein Indikator, ob das Buch bei der breiten Masse an Lesern eher positiven oder negativen Anklang findet.

    Mich beeinflusst dieses Bewertungssystem in meiner Kaufentscheidung nur minimal und meist nur dann, wenn sehr viele Leser zu einer äußerst positiven oder äußerst negativen Bewertung tendieren. Das heißt jedoch nicht, dass ich ein Buch aufgrund dessen automatisch ablehne, denn eben weil es sich um so ein detailloses, grobes System der Bewertung handelt, fehlen mir weitere Argumente, die für oder gegen einen Kauf sprechen. Was den einen abschreckt, könnte mir gefallen. Was der andere besonders ansprechend findet, könnte mich abstoßen. Dementsprechend sind gut begründete Meinungen in Form einer Rezension in meinen Augen wesentlich einfluss- und hilfreicher als die Anzahl der vergebenen Sterne.

    Ich selbst nutze dieses System auch auf meinem Blog, um meinen Lesern eine Übersicht zu bieten, welche Werke mir gut gefallen haben und welche eher nicht. Dadurch können sie recht unkompliziert erschließen, welche Art von Literatur mir zusagt und ob sich unser Geschmack deckt, indem sie die eigenen Vorlieben gegebenenfalls in meinen wiederfinden.
    In so einem Einzelfall (im Gegensatz zu amazon) wiederum beeinflusst mich die Vergabe von Sternen schon, denn wenn die Vorlieben zwischen mir und einem anderen Leser oft ähnlich liegen, vertraue ich eher darauf, dass seine Bewertung mit meiner übereinstimmen könnte.

    Grundsätzlich ist mir das Sternesystem jedoch zu oberflächlich und somit eher nichtssagend, als dass es mich in meinem Konsumverhalten maßgebend beeinflusst.

  11. Ausschlaggebend: ja. Helfen: ja. Schlecht sind sie trotzdem (Massengeschmack.)

  12. Helfen Euch Sternchenbewertungen?

    Mir als Autorin: Ja! Unbedingt. Weil viele Leser darauf achten und bei einer hohen Sterne-Wertung das Buch eher anschauen.

    Mir als Leserin: Nein und ja. Meistens hilft mir da der Fließtext mehr. Da finde ich dann erst die wirklichen Beweggeründe, die zu der Bewertung geführt haben.

    Wie ausschlaggebend sind sie für Eure Kaufentscheidung? Irrelevant. Ich vertraue noch immer auf Rezensionen, Freunde und Leseproben.

    Insgesamt:

    Das Sterne- (oder auch jedes andere Symbol-) System dient ja lediglich der Verinfachung und Übersichtlichkeit. Die relevanten Informationen finden sich doch im Text darunter. Was mich ärgert: Ein Buch ist ein solch komplexes Werk, kein einfaches „Produkt“. Ich habe manchmal das Gefühl, dass dieses Bewertungssystem das völlig außer acht lässt und versucht, das Buch zu etwas zu machen, das es gar nicht ist. Ein Buch ist keine waschmaschine, muss keine Funktionen erfüllen.

    Ich stelle mir das bei einem Kunstwerk vor: 3/5 Sternen für Spannung für Richters „Domplatz, Mailand“. was sagt das jetzt über das Bild im Gesamten aus? Für sein Bild als Kunstwerk an sich? Und so ist es auch mit Büchern.

    Andererseits verstehe ich den Wunsch nach Einfachheit und Übersichtlichkeit. Nach „Aha, so und so ist das Buch also, das erwartet mich also.“ Das ist aber dieser merkwürdige Service-Gedanke, dem sich offensichtlich auch Bücher mittlerweile beugen müssen.

    Ich bin prinzipiell gegen diese Bewertungsform und möchte mal so ganz provokant fordern: Wer glaubt, etwas bewerten zu können, der sollte sich meiner Meinung nach die Mühe machen MÜSSEN, dazu mindestens einen längeren Gedankengang entwickeln zu müssen, der der Arbeit des Schaffenden angemessen ist, womit ich meine:

    1. Bücher sind keine Waschmaschinen
    2. Bücher sind keine Fließbandprodukte
    3. Ausschließlich Sterne ohne Rezension sind meiner Meinung nach respektlos gegenüber den Autoren (aber eben Systemimmanent)

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