Lokalperlen: Zu viel Holz vor der Hütte

Die Hasslinghauser Hütte – stand sie im Mittelpunkt eines Aktienschwindels? Der Historiker Horst Dieter Konrad deutete dies am Samstag bei einem Vortrag in der Gaststätte Nippus an. (Das Beitragsbild ist von Wikipedia)

Die Ortsgruppe Sprockhövel der IG Bergbau, Energie, Chemie war zusammengetroffen, um sich über Konrads Forschungsergebnisse zum „Aufbruch in die Moderne“ zu informieren. Schon im Vorfeld war über die damals geniale Hochofentechnik gesprochen worden: In der Hasslinghauser Hütte stand Mitte der 50er Jahre des 19. Jahrhunderts der erste Blechmantel-Ofen, eine wegweisende Erfindung, die kurz darauf die herkömmlichen, gemauerten Ofen ersetzen sollte. Was Konrad jedoch am frühen Morgen präsentierte, übertraf nicht nur die unwissenschaftlich-spekulativen Auseinandersetzungen, die bisher zur Hasslinghauser Hütte auf heimatkundlicher Ebene geführt worden waren, sondern gab dem Projekt an sich eine neue Dimension.

1855 war die Hütte konzessioniert worden, ein Jahr später folgte die Gründung einer Aktiengesellschaft. „Die Hütte hatten einen Wert von 100.000 Talern“, sagte Konrad. Im Laufe der folgenden Monate wurden jedoch Aktien im Wert von zwei Millionen Talern ausgegeben. Vom Bergbau eher unerfahrene Berliner hatten mit Blick auf hohe Gewinne kräftig investiert, ohne die Existenz der Hütte zu überprüfen. „Die damalige Situation war mit der am Neuen Markt vergleichbar“, berichtete Konrad. Die Inhaber der Hasslinghauser Hütte, Gustav Lehrkind und Genossen, nutzten die blinde Euphorie, um an Investorengelder zu gelangen. Allein der Name „Berg- und Hütten Aktien-Verein Neuschottland“, sollte an die hohen Gewinne im schottischen Montanrevier erinnern.

„Die dortigen Produktionsbedingungen waren für die Zeitgenossen märchenhaft“, sagte Konrad, „auch in Deutschland hatte es sich herumgesprochen, dass es gelungen war, anstatt Koks zu verwenden, Roheisen direkt mit stückiger Anthrazitkohle zu erblasen.“ Des Weiteren prahlte man mit den niedrigen Löhnen, die zu der Zeit in der Region gezahlt wurden und stellte verschiedene Spezialisten ein, deren Namen für hohe Qualität stehen sollten. Da gab es beispielsweise den 21jährigen Fritz Wilhelm Lürmann, der eine einfache Vorrichtung zur Entfernung der Hochofenschlacke erfand. Konrad schätzt deren Bedeutung noch wesentlich höher ein als die neue „Gestellkonstruktion des Hochofens der Hasslinghauser Hütte.“ Was den Anlegern jedoch verschwiegen wurde: Auf der ganzen Welt stehen Hütten am Wasser, um Öfen und Schlacke zu kühlen. Die Hasslinghauser bauten ihr Projekt dagegen an einen Hang und konnten wegen ständigen Wassermangels nur unzureichend produzieren. Was auf dem Papier fantastisch wirkte, war lediglich gehypt, um einen Ausdruck der Start-up-Ära zu verwenden.

Den ursprünglichen Besitzern nütze das Geld: Sie gründeten 1858 in Dortmund ein Bankhaus. Die Hütte wurden später von der Dortmunder Union übernommen und 1875 von eben dieser während der Überproduktionskrise geschlossen. Das unscheinbare Projekt war durch geschickte PR und Überredungskunst überbewertet worden, hatte zwar keine Dividenden abgeworfen, die Gründer selbst jedoch wohlhabend werden lassen. Am Ende von Konrads Vortrag wirkte der anfangs gestellte Vergleich mit der New Economy und Finanzskandalen wie der EM-TV-Pleite schlüssig. „Man muss nur zurückblicken: In der Historie lässt sich alles wiederfinden.“

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