Rezension: Upperclass-Aufreisser

Die Französin Amélie Nothomb gehört zu den höchstdekorierten Autorinnen Europas. Sie wurde unter anderem 1999 mit dem renommierten “Grand Prix du Roman“ der Académie française ausgezeichnet, ihre Bücher sind Bestseller. Pünktlich zum Frühlingsanfang kommt sie nun mit ihrem neuen, im Tokio des Jahres 1989 spielenden Roman “Der japanische Verlobte“.

Es geht um ihre Beziehung als 21-Jährige in Tokio mit dem Upperclass-Aufreisser Rinri, der sie zwar nicht mit einem weißen Gaul, aber in einem weißen Mercedes abholt – jeden Tag. Dieser Rinri wirkt in seinem weißen Hemd, der Lederjacke und den Jeans wie eine Reinkarnation von James Dean. Er liebt französische Literatur, er baggert ohne jede Schüchternheit, er verzeiht Amelie alle Faux-pas, die sie als Ausländerin anzieht wie Mücken das Licht, er bleibt auch cool, als ihr Mund beim Dinner sehr ungeschickt mit einem rohen Tintenfisch in Kontakt kommt: „Die noch lebendigen Nerven des Tintenfischs befahlen ihm, sich zu widersetzen, und der rachsüchtige Kadaver umschlang meine Zunge mit all seinen Tentakeln. Und ließ nicht mehr los. ich brüllte, so laut man brüllen kann, wann an der Zunge ein Tintenfisch hängt.“

Die Damen, die ihr den Tintenfisch gereicht haben, helfen nicht, sondern lachen nur. Genau dieser Sadismus ist ihrem Geliebten, und späteren Verlobten Rinri fremd.  Anrührend, wie er Amélie an die Hand nimmt und durchs fremde Tokio führt, als sei sie ein Kind. Ein bisschen lässt man sich einzuckern von diesem Beinahe-Kitsch. Allein am Anfang gibt es dieses Bild – da knabbert Rinrie seiner Amélie geschmolzenen Fonduekäse von den Händen. Ein Japaner kniet vor der Französin, das ist grotesk, und gerade deshalb alle kontrastierenden Romantikszenen umso wahrhaftiger. Ein literarischer Frühlingstipp für Verliebte und alle, die es werden wollen.

Amélie Nothomb: “Der japanische Verlobte“, übersetzt von Brigitte Große, Diogenes, 166 Seiten, 18,90 Euro

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