Rezension: Poetry-Slam

Der 15-jährige Sam lebt mit seiner 32-jährigen, alleinerziehenden Mutter in London. Seine getrennten Eltern „tun so, als wären sie mittlerweile die besten Freunde, die alles von früher vergeben und vergessen“ haben, „aber sie sehen sich nie, außer zu besonderen Anlässen die mit mir zu tun haben.“

Sam kann damit leben. Er liebt seine gleichaltrige Flamme Alicia, er hat eine große Klappe, aber „ich rauche kein Dope, bin nicht unverschämt zu Lehrern, ich prügele mich nicht und versuche, immer meine Hausaufgaben zu machen.“ Er ist ein typischer Teenager. Nebenbei vergöttert Sam Skateboardstar Tony Hawk, den „J.K. Rowling unter den Skatern, den Big Mac, den iPod, die XBox.“

Nick Hornby fährt in seinem neuen Roman „Slam“ auf bekannt rasanten Popkulturpfa-den. Allerdings zieht er dieses Mal bei 180 Sachen die Handbremse, um souverän in die entgegengesetzte Richtung zu steuern. Wenige Wochen nachdem Sam mit Alicia zum ersten Mal geschlafen hat steht das Mädchen vor der Haustür und weint, weil sie schwanger ist. Kein Wunder, hat ihr Freund doch zuvor getönt: „Wenn man einer von den Jungs ist, die immer ein Kondom dabeihaben, will sowieso keine mit einem schlafen.“ Jetzt wird es ernst. „Was willst du machen?“ fragte ich. Sie schwieg eine Weile. „Kannst du mir einen Gefallen tun?“ fragte sie. „Wenn wir darüber reden, kannst du dann wir sagen?“

Allein dieser kurze Dialog ist atemraubend, warmherzig, rührend, brillant. Und weil die beiden Kids kein bisschen zynisch, weil sie stattdessen verantwortungsbewusst sind, endet dieser Slam, dieser Sturz, nicht im Desaster. Sams Mutter, die selbst als Teenager schwanger war, nimmt die Sache semigelassen hin: „Ich werde Großmutter. Ich bin fünf Jahre jünger als Jennifer Aniston, und ich werde Großmutter. Zwei Jahre jünger als Cameron Diaz.“ Anfangs ist Sam mit seinem „Latein am Ende“. Er haut kurz ab, ans Meer, um nachzudenken, um zu vergessen. Doch er kehrt zurück, er stellt sich den Problemen. Die beiden Kinder einigen sich, sie werden Eltern, sie entscheiden sich für ihr Baby, sie besuchen tapfer und kichernd den Geburtsvorbereitungskurs.

Ihr Junge erhält den Namen Roof, oder Rufus. Sam bringt das anfangs durcheinander, dabei wäre es echt leicht: Rufus heißt so, weil bei seiner Geburt Musik von Rufus Wainwright im Kreissaal spielte. „Hätte auch schlimmer kommen können, oder? Er könnte jetzt Snoop heißen. Oder Arctic Monkey. Arctic Monkey Jones.“ Das junge Paar trennt sich, kommt kurz zusammen, geht wieder auseinander, aber steht immer Seite an Seite bei ihrem Kleinen. Sie wechseln die Windeln, organisieren das Leben, sie bezähmen alle bösen Geister und meistern einen Trick, der selbst Tony Hawks Skaterkünste blass aussehen lässt. Hornby katapultiert sich mit diesem Roman in irgendein glitzerndes Paralleluniversum.

Nick Hornby: „Slam“, 304 S. 17,95 Euro, KiWi, übersetzt von Clara Drechsler und Harald Hellmann

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