2008 reiste die junge deutsche Literatur durch Städte, Länder und Körperregionen. Am Freitag (26.12.2008) stellen 1LIVE-Moderator Mike Litt und DJ Larse ab 23 Uhr die Klubbing-Höhepunkte des Jahres vor. Mit dabei sind Wladimir Kaminer, Clemens Meyer, Charlotte Roche, Wir sind Helden, Benedict Wells und Alina Bronsky.

Ist die junge Literatur versaut? „Selbstverständlich verkauften sich Charlotte Roches Feuchtgebiete großartig“, sagt Mike Litt, „aber man darf nicht vergessen, dass der deutsche Buchpreis an Uwe Tellkamp für sein DDR-Untergangsepos Der Turm verliehen wurde – und der steht in der Bestsellerliste auch ganz oben.“ Dennoch kann behauptet werden: 2008 war das Jahr von Charlotte Roche. Sie verkaufte 1,4 Millionen Exemplare ihres feministischen Antihygiene-Romans, der jetzt in 25 Sprachen übersetzt wird. „Wir haben sogar in erzkatholische Länder wir Polen oder Italien Lizenzen verkauft“, sagt Julia Giordano, Pressesprecherin des Dumont-Verlags in Köln, „und in Amerika wird Feuchtgebiete ebenfalls erscheinen, was sehr ungewöhnlich ist, weil dorthin selten deutsche Titel verkauft werden können.“

Die illustrierte Sonderausgabe, mit Avocadokernposter und Strichzeichnungen liegt seit wenigen Wochen in den Buchhandlungen. Und daneben der dicke, begeisterungswürdige Wälzer des Deutschen Buchpreisträgers Uwe Tellkamp. Für die leichte und für die schwere Muse hat die Bestsellerliste in diesem Jahr Platz gehabt. Es war ein gemischtes Feld. „Und wenn ich an die Klubbing-Sendungen denke, möchte ich keine Highlights nennen“, sagt Mike, „für mich ist die Gesamtheit interessant, dass es überaus abwechslungsreich zugegangen ist, bei uns im Salon und bei den 1LIVE-Klubbing-Unterwegs-Sendungen im Sektor.“

Während 1LIVE nach Dortmund, Köln, Aachen und weitere Orte im Sektor gereist ist, und während Charlotte Roche weibliche Feuchtgebiete erkundete, haben sich auch andere Klubbing-Autoren auf den Weg gemacht. Star-Debütant Benedict Wells („Becks letzter Sommer“) lässt seinen Helden bis nach Istanbul reisen und nebenbei einen der größten Rocktalente unserer Zeit entdecken, den Pete Doherty ähnlichen Gitarrengott Rauli aus Litauen. Wahnsinnsbuch. „Einmal ist Benedict natürlich ein absoluter Sympath“, erinnert sich Mike, „außerdem hat sein Text durch die Lesung noch einmal gewonnen.

Das ist bei Literatur oft so und macht auch unser Klubbingkonzept aus, dass die Bücher plötzlich einen ganz neuen Rhythmus bekommen. Literatur ist eben durchflutet von Musikalität und das wird an Abenden wie dem mit Benedict Wells klar.“ Der Lehrer Beck reist nach Istanbul und von eben dort macht sich der verknallte Mann in Feridun Zaimoglus „Liebesbrand“ auf, um einer jungen Frau nachzujagen, noch so ein Buch des Jahres 2008, mit dem bereits eine große Romantikwelle ausgerufen wurde, weil Feridun mal wieder das große, das übergroße Gefühl wagt und auf Risiko setzt. Liebesbrand ist eine Sehnsuchtsreise, mit blauen Blumen, Liebesschwüren, Herzchaos et cetera.

„Wir sind Helden“, waren mit ihrem 2007 erschienenen Album „So und so“ und einem rasanten Tourtagebuch unterwegs. In der 1LIVE-Klubbing-Best-of-Sendung verwandelt sich die Lesung zum zweiten Mal in ein großes Rockkonzert, mit ausrastendem Publikum, mit Pfiffen, Schreien und Trommelapplaus. Clemens Meyer, coolster Autor Deutschlands, wird aus seinem abgefeierten Erzählband „Die Nacht, die Lichter“ lesen und eine besonders schöne Flinte, „einen Durchlader“ vorstellen.

Wladimir Kaminer schwadroniert über Matroschkas und beantwortet Mikes Frage, wer, wann, warum Balalaika für ihn gespielt hat – oder eben nicht. Alina Bronsky bewohnt in ihrem viel beachteten Debütroman „Scherbenpark“ das abgewrackte Aussiedler-Hochhaus „Solitär“ im Frankfurter Ghetto und kennt sich darin besser aus, als vermutet.

Das kommende Jahr 2009 wird mit einer Hommage an das erfolgreichste Debüt von 2008 eröffnet: Heinz Strunk, der vor wenigen Wochen in 1LIVE Klubbing seinem Roman „Die Zunge Europas“ vorgestellt hat, kommt dann mit seinem Spin-off „Der Fleckenteufel“. Auf dem Cover blitzt bei ihm kein Pflasterkreuz, sondern ein bedeutungsschwangerer Waschlappen. Während Charlotte Roche eine deprimierte und deprimierende Heldin vorstellte, kontert Strunk mit einem 16-jährigen Jungen, der 1977 gegen sein hormonelles Dauerrauschen ankämpft.

Was der Waschlappen damit zu tun haben könnte, wird sich jeder frei ausmalen können. Wer es dagegen etwas keimfreier und erhabener mag: Daniel Kehmann wird, ebenfalls im Januar, einen Roman in neun Geschichten unter dem selbstbewussten Titel „Ruhm“ veröffentlichen und selbigen vermutlich einfahren – zur Geschichte selbst darf bislang nichts verraten werden, der Text liegt aber als sogenannte „Fahne“ bereits im Büro: Das Ding ist großartig, versprochen! Es bleibt also spannend.

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