Rezension: Showdown in Spanien

Höllenmotorradfahrer, Priester in Osteruniform, massige Schwaben mit „Lammkeulenschultern“ – Kurioses Volk trifft auf Kommissar in Helge Schneiders neuem Buch „Satan Loco“.

Wenige Monate vor der Rente, auf Kurzarbeit gesetzt, wird Kommissar Schneider zu seinem persönlichsten Fall zitiert. Er muss in sengender Mallorcahitze seine gerade 18-jährige Tochter rächen, die von einem Fake-Fotografen auf die Insel gelockt und doch nur vernascht und verlassen wurde (Helge Schneider schreibt: „durchgepoppt“). Währenddessen plant ein verhinderter Germanistikstudent aus Barcelona seinen ersten Terroranschlag und Höllenrocker „Satan Loco“ heizt durch die sengende Sierra, über ihm der stahlblaue Himmel, bereit, die Welt auf links zu drehen. Als Gefährte immer dabei: „Legumas“, der Gemüsepuma, der nur in schwachen Augenblicken überlegt, „Satan Loco“, Freundschaft hin oder her, zu verspeisen. Wahrscheinlich hätte Legumas schlechte Karten. Denn bereits im Alter von fünf Jahren schoss Satan Loco sein erstes Perlhuhn. Dafür benutzte er die Pistole seines beim „Russisch Roulette“ verstorbenen Vaters, in die Hand gedrückt von der eigenen Mutter, zum Spielen, warum sonst. „Er grillte es auf dem offenen Feuer, genau dort, wo er es erlegt hatte. Ab da ernährte er sich immer ohne fremde Hilfe.“ Wie gesagt; Satan Loco war damals fünf Jahre alt.

Kurz vor Schluss wird der titelgebende Antiheld Kommissar Schneiders Racheweg queren, Tage, nachdem der abgehalfterte Ermittler seine Tochter in einen Flieger Richtung Heimat gesetzt hat, wo Mama Helene Schneider bereits vorm aufgeheizten Backofen wartet, um eine Hefepizza mit Paprika, Tomaten, Oliven Thunfisch, Salami, Zwiebeln, Pilzen und Peperoni fertigzustellen. „Hmm, das schmeckt aber!“ Das klingt nach Nonsens? Selbstverständlich! Kausalitäten verschieben sich permanent in Helge Schneiders komischem, aber auch genial gebautem Text: Organisten fallen bereits mit Platzwunde auf den Boden. Adjektivhäufungen erinnern an 4. Klasse-Schulaufsätze: „Der blanke Asphalt dröhnte unter dem dunklen Gebrüll des Motors.“ Szenenbeschreibungen verenden nach ellenlangen Volten im Nirgendwo und manchmal kann der Kommissar selbst nicht fassen, wie verdorben die Welt doch ist:

„Auf der Drehorgel oben drauf hockte ein kleiner Affe und sprang plötzlich wie von der Feder geschnellt auf und wichste die Leute an! Pfui Teufel, der Kommissar Schneider musste sich seinen gerade aus der Reinigung geholten Trenchcoat mit seinem Strunztuch abgwischen.“ – Aber sind wir nicht alle Tiere, irgendwie? Zum Show-Down landet der Kommissar auf dem Campingplatz in Almería, einer spanischen Hafenstadt, wo er von einem seltsamen Typen angesprochen wird: Hoch ragt der Hut über seinem Kopf, der die Form eines überdimensionalen Eis aufweist. Stroh, schmale, vorn herabgezogene Krempe, hinten flach aufgestellt, hoch. Schultern wie Lammkeulen lugen aus einem hellblauen Unterhemd und halten an lang gestreckten Armen eine Art Henkeleimer mit konischer, zylindrischer Form.“  Was sind das nur für Figuren? Und was hat der Priester in „Osteruniform“ damit zu tun? – Hohe Suchtgefahr. Ein Buch, das man allen Freunden vorlesen will, vorlesen muss – allein ist es kaum auszuhalten. Großartig.

Helge Schneider: „Satan Loco“, KiWi, 144 Seiten, 7,99 Euro, mit 12 Kulizeichnungen vom Autor / Das Hörbuch ist erschienen bei Roof Music

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