Rezension: „Furchtbar lieb“

Drogenqueen Krissie und die „furchtbar liebe“ Arztgattin Sarah wollen beste Freundinnen sein. Doch dann lässt sich Krissie von einem Unbekannten auf der Discotoilette schwängern, während Sarah ihrem Gatten Kyle das Leben jahrelang zur Hölle gemacht hat, um Mama werden zu können.

Sozialarbeiterin Krissie von der Abteilung Kindeswohl ist eine lebenslustige, Partydrogen schluckende Schottin, die im Debüt von Helen Fitzgerald Stück für Stück zu sich selbst findet: “Das erste Stück habe ich in einem Zelt auf dem West Highland-Way gefunden. Meine beste Freundin Sarah schlief. Ihr Mann lag neben ihr, und ich schluckte sein Sperma.” Ab da ist es vorbei mit Nachsicht, Schweigen, Anstand der “furchtbar lieben” Arztgattin Sarah, eigentlich nur eines vom Leben erwartete: Ein kleines Kind, ein Baby, das aber nicht kommen wollte, während sich ausgerechnet Krissie von einem Unbekannten auf der Clubtoilette schwängern liess.

Verkehrte Welt. Nervenzusammenbruch. Sarah fasst einen Entschluss: Ihren Gatten kann Krissie gern haben, der ist in ihren Augen sowie ein käsiger, bierbäuchiger Widerling. Aber sie will das Baby haben, Krissies Baby! Nach kurzem Kampf, der mit viel Blut, Tränen und einem Schock endet, entwickelt sich Sarah zur wortwörtlich männermordenden Furie, um endlich mit der Welt und den Kerlen da draußen abzurechnen: “Sarah war immer keusch und züchtig gewesen, immer ehrbar und anständig. Aber das war vorbei.”

Ironisch, zwischen Großmäuligkeit und Verzweiflung wechselnd beschreibt die ehemalige Sozialarbeiterin Helen FitzGerald den Fight zweier Frauen um Liebe, Freundschaft, Würde, Glück, der einen mit “Kill Bill”-Hommagen, Poesie zwischen Pfandflaschen und einer großartigen Discoszene beschenkt. Splatter, Sex, Krawall und Remmidemmi am Kindbett – das ist großartig! Schauspielerin Britta Steffenhagen findet in der Hörbuchfassung von Helen FitzGeralds Debüt einen versöhnlicheren, lieblicheren Ton. Wenn sie mit zaghafter Stimme die größten Abscheulichkeiten vorliest, klingt das nicht wie eine Warnung für an alle Typen da draußen. Aber vielleicht liegt gerade eben darin die große Gefahr.

Helen FitzGerald : “Furchtbar lieb”, übersetzt von Steffen Jacobs, Galiani Berlin, 242 Seiten,14,95 Euro, das Hörbuch, gelesen von Britta Steffenhagen gibt es beim DAV, 4 CDs, 297 Minuten

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