Rezension: „Der falsche Inder“

Abbas Khider ist 1996 geflohen, vier Jahre in verschiedenen Ländern umhergeirrt und seit 2000 in Deutschland aufgenommen (eigentlich wollte er nach Schweden). Khider hat Philosophie und Literaturwissenschaften studiert, Lyrik veröffentlicht und jetzt darf er, der vertriebene Intellektuelle, in Berlin Graffitos mit dem Wortlaut „Simone ist meine Maus“ lesen. In den irakischen Gefängnissen gab es auch Graffitos, von verzweifelten Häftlingen und weil Abbas Khider damals keinen Stift und kein Papier hatte, ritzte er seine Verse in Stein. Nun erscheint sein beeindruckender Roman „Der falsche Inder.“

Als sich der falsche Inder Rasul Hamid auf seiner Flucht aus dem Irak nach Deutschland in Jordanien in die Prostituierte Miriam verliebt, warnt sie den Neugierigen: „Es gibt Dinge, die man besser nicht weiß, weil sie sehr gefährlich sein können. Aber du kannst mir glauben, dass hinter jeder Hure und hinter jeder Nonne eine traurige Geschichte steckt.“ Das Besondere an diesem schmalen Buch ist der Ton, in dem Abbas Khider seine eigene, eigentlich urtraurige Geschichte erzählt, im Ton eines arabischen Geschichtenerzählers, als 1002. Nacht, wie der Held später witzeln wird. „Der falsche Inder“ ist die Geschichte einer Odyssee, einer Abenteuerreise, die alles auffährt, was einen guten Roman ausmacht: rassige Priestertöchter, einen edlen, in Anbetungsformeln kundigen Helden, Verfolgungsjagden über die Dächer des Orients, Geheimsprachen, Nachtwanderungen, Todesgefahren; doch hier ist es das echte Leben gewesen. Rasul, der mit seiner kaffeebraunen Haut eher wie ein Inder denn wie ein Iraker aussieht, wird im Heimatland zu Unrecht ins Gefängnis gesteckt, bei mehreren Versuchen, übers Mittelmeer nach Europa zu gelangen, gefasst, misshandelt, zurückgeschickt. Seine Texte sieht er mehrmals verbrennen und ersaufen, seine Lebensgeschichte entwickelt sich zu bitteren Variante des  beliebten „Trial and Error“-Spiels und zum Ende des Buchs mag man kaum glauben, dass der Held auf der ersten Seite bereits am Berliner Bahnhof saß, um auf seine Freundin zu warten, dass er es tatsächlich geschafft hatte, aus den vielen Kreisen der Hölle hinaus, nach Europa.

Abbas Khider: „Der falsche Inder“, Nautilus, 160 Seiten, 18 Euro

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