Rezension: Martin Walser ist nackt

Unermüdlich schreibt Martin Walser weiter, auch in seinem neunten Lebensjahrzehnt. Sein neuer Roman ist gerade unter dem Titel „Das dreizehnte Kapitel“ erschienen. Leider ging dieses Manuskript in keinem Schnellzug verloren.

Erzählt wird die unmöglichen Liebe zwischen einem erfolgreichen Schriftsteller und einer verheirateten Theologin. Das ist großer Stoff. Ein beachtlicher Teil der Weltliteratur besteht aus unmöglichen Liebesgeschichten: Romeo und Julia, Tristan und Isolde, Werther und Lotte. Bei Martin Walser heissen die beiden Liebenden Basil Schlupp & Maja Schneilin. Noch schlimmer als diese Namen ist der komplette Roman.

Auf dem Empfang des Bundespräsidenten sehen sich Basil Schlupp und Maja Schneillin zum ersten Mal. Er, Autor des Sommerromans „Strandhafer“, verliebt sich sofort in die verheiratete Theologieprofessorin. Weil aber Basil Schlupp und sein Erfinder Martin Walser nicht direkt vor Ort zum Vollzug kommen, entsteht ein monatelanges Liebeswerben. Maja und Basil schreiben sich schmachtende Briefe, aus denen man lediglich zitieren muss, um die monströse Peinlichkeit dieses Romans zu veranschaulichen. So verrät Basil, er sehe, alle, aber auch wirklich ausschließlich alle Frauen erstmal: „nackt“. Um wenig später gerade zu Walser-typisch abzulenken mit gefallsüchtigen Bonmots, der Art: „Schicksal ist eine Fracht, Sätze zu stärken. Überhaupt Unbegreifliches.“

Stammeln als Literatur. Das ist der neue Roman von Martin Walser. Unweigerlich fragt man sich, ob der Großautor vom Bodensee – überhaupt noch lebt. Zu sehr wirkt „Das dreizehnte Kapitel“ wie eine posthume Fortsetzung, geschrieben von einem Groschenromancier aus Grevenbroich.  Besonders schön sind die ellenlangen SMS, die vom Zusatz „geschrieben von meinem iphone“ beschlossen werden. Das Ende dieser Liebe soll nicht verraten werden, doch aber ihr trauriger Höhepunkt, wenn Basil Schlupp seiner Maja gesteht: „Die Theologin zertrümmert den Belletristen. Und der gibt sich selig geschlagen.“ Man muss sich Martin Walser trotz dieses furchtbaren Buchs: als glücklichen Menschen vorstellen.

(Martin Walser:„Das dreizehnte Kapitel“, Rowohlt, 272 Seiten, 19,95 Euro)

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