Linkradar: Buchblogs, Preise, Sperrfristen

Inzwischen ist sie zur Hälfte rum, die Leipziger Buchmesse, mit bislang 75.000 Besuchern und als erste schöne Nachricht kann bereits am Mittwoch die Verleihung des Buchpreises an den 74-jährigen Guntram Vesper mit „Frohburg“ (Schöffling). Wer sich noch schnell über die aktuellen Gespräche innerhalb der Branche schlaumachen will, ist natürlich mit dem Linkradar bestens bedient. Ich schaue zurück auf debattenreiche Wochen, mit Ideen zum Podcasting, mit dem neuen Kampf zwischen Amazon und lokalem Buchhandel, mit einem wirklich wichtigen Lektoratsinterview und mit den Terminen der nächsten Tage. (Das Beitragsbild ist aus den „Digital Collections“ der NY Public Library und zeigt „30 Rockefeller Center Plaza – French Building“ aus dem Jahr 1939.) 

51MSZOlwbdL._SX303_BO1,204,203,200_Sperrfristen: Es ist ein Ärgernis. Da unterschriebt man auf Bitten der Verlage brav Verträge, die einem erst nach Ablauf einer gewissen Frist die Rezension zusichern (das Thema gab es hier schon einmal im Linkradar) und dann ziehen Kollegen Tage, manchmal sogar Wochen vor dem Erscheinungstermin ihre Besprechung ins Blatt. Schriftsteller Alain Claude Sulzer 8selbst KiWi-Autor) schreibt dazu in der NZZ: „Die Sperrfrist, so viel ist klar, ist kein Gesetz, sondern bloss eine Empfehlung, wie man sich verhalten sollte. Sie nicht einzuhalten, ist nicht strafbar, sondern kontraproduktiv und unhöflich. Verleger und Autoren sind allerdings viel zu zurückhaltend (oder ängstlich), um sich bei einem Rezensenten zu beschweren, der ihre Bücher zwar positiv, aber unglücklicherweise vor dem Erscheinungsdatum besprochen hat. Sollten sie es doch tun, wird sich der Rezensent hinter der Forderung seines Blatts nach grösstmöglicher Relevanz verschanzen.“ Gerrit Bartels legt im Tagesspiegel nach und sieht auch die Verlage in der

BvSB_panikherz_katalogCOVER-e1446045556868Pflicht: „Tatsächlich hat sich in diesem Fall der Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch, in dem ‚Panikherz‘ erscheint, sogar Erklärungen unterschreiben lassen, das vorab als Leseexemplar verschickte Buch von Stuckrad-Barre „vertraulich“ zu behandeln und ‚strengstes Stillschweigen’ über den Inhalt zu wahren. Im Fall der Zuwiderhandlung sei man dem Verlag gegenüber „für alle aus dieser Verletzung entstehenden Schäden ersatzpflichtig’. Welcher Natur auch immer diese „Schäden“ sein könnten: Erstaunlich ist, dass der Verlag einerseits sehr darauf bedacht ist, dass das Buch nicht in der Welt ist, also in den Medien, bevor es jemand kaufen kann. Er andererseits aber eine ‚Sondergenehmigung‘ für das Literarische Quartett erteilt (so die Sprachregelung in Köln), weil so eine Fernsehbesprechung vor potenziellem Millionenpublikum dem Absatz doch nur förderlich sein kann.“ Währenddessen ahnt der gemeine Leser, dass die Haltbarkeit eines Buchs mittlerweile geringer ist als die von pasteurisierter Milch.

american_psycho__english_edition-9781447202752_xxlPopliteratur: Und wenn man schon bei Benjamin von Stuckrad-Barre ist, so lohnt es sich zu verweilen bei dem ohnehin überflüssigen „Jugend“-Portal bento von Spiegel.de, das hier fragt: „Wie gut kennst du dich mit Popliteratur aus“ und dann mal all jene nennt, die ganz bestimmt nicht dazugehören wie Gillian Flynn (oder weil bei ihr Serienkiller vorkommen wie in „American Psycho“?), Jo Lendle (wegen des Gin Tonic, den er manchmal im Klagenfurter Teatro trinkt?) und Arno Geiger (dazu fällt mir nicht viel ein). Möglicherweise sollte sich bento aufs Buzzfeed-Kerngeschäft konzentrieren, wie „Geheimnisse, die dir dein Kassierer bestimmt nicht erzählt“ oder „Wie es sich anfühlt, mit Anfang 20 noch Jungfrau zu sein„.

Die-wunderbare-Welt-des-Kuhlschranks-in-Zeiten-mangelnder-Liebe-9783716027349_xxlWas liest du? Die Lese-Community der Mayerschen Buchhandlungen verleiht morgen zum dritten Mal den Preis für den ungewöhnlichsten Buchtitel – ab 16 Uhr moderiere ich in Halle 4, Stand E 101 und wie immer gibt es die Bücher der Shortlist eben dort zu gewinnen: „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969″ (Frank Witzel) „Warum ich lieber mit einem Bauarbeiter in der Badewanne liegen würde als mit einer Jura-Studentin“ (Nils Frenzel) „Aufgeben ist keine Lösung. Außer bei Paketen“ (Patrick Salmen, Quichotte) „Die total irre Geschichte mit der Gitarre meines Vaters und allem, was danach kam – obwohl sie mir keiner auch nur ansatzweise glauben wird“ (Jordan Sonnenblick) „Die wunderbare Welt des Kühlschranks in Zeiten mangelnder Liebe“ (Alain Monnier) 10 Minuten? Dit sind ja 20 Mark! Zeit ist Geld und wir haben’s eilig!“ (Felix Lobrecht, Malte Rosskopf)  „Der Tag, an dem der Goldfisch aus dem 27. Stock fiel“ (Bradley Somer) „Eine Rolle Klopapier hat 200 Blatt. Warum ist keins mehr da, wenn man es am dringendsten braucht? Das Leben in Textaufgaben“ (Raymund Krauleidis)  „Einhörner sind Arschlöcher: Schockierende Wahrheiten zum Ausmalen“ (Theo Nicole Lorenz) „Lepra-Gruppe hat sich aufgelöst“ (Ralf Heimann, Jörg Homering-Elsner). Die Gewinner werden am Samstag ab 17 Uhr hier im Blog bekanntgegeben.

Pausenmusik

Wer eine große Festplatte hat, kann hier zuschlagen. Das Kraftfuttermischwerk berichtet hier: „David W. Niven war früher High-School-Lehrer in New Jersey. Nebenbei nahm er immer Kassetten mit Jazz und kam zu Beginn der 90er auf immerhin 650 Tapes, die mit Jazz aus den Jahren 1921-1991 bespielt waren. Viel zu schade, um die in die ewigen akustischen Jagdwegen einziehen zu lassen, hat er wohl gedacht und alle diese Tapes dann auf Archive.org geladen, wo sie jeder kostenlos runterladen kann: The David W. Niven Collection of Early Jazz Legends, 1921-1991. Über 1000 Stunden bei 637 Gigabyte. Dazu gibt es dann jeweils ein handbeschriftetes Inlay mit den Setlisten und Notizen. Das wird hier wohl ein jazzlastiges Wochenende, was der Frau des Hauses gar nicht gefallen dürfte.“

Konsuminventur

800px-Audemars-Piguet-img_0324Luxusuhren – goldene Zeiten für Schnäppchenjäger vermeldet das Manager Magazin. Hier betrachtet der Rezensent, was er sich nur selten leisten kann: „Weltzeituhren für unter 6000 Euro, einen manufakturkompetenten Tourbillon-Chronographen unter 40.000 Euro. Montblancs dynamischer CEO Jérôme Lambert beweist schon seit Jahren ein Gespür für Zeitgeist – vor allem den der Preispolitik. Prompt kontert Jaeger-LeCoultre mit einem ansehnlichen Ewigen Kalender samt Manufakturwerk für unter 20.000 Euro.“ (Das Beitragsbild zeigt eine skelettierte Audemars Piguet und ist von Wikipedia.)

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