Landlust für Literaten

“Schon das Wort ,Berufswahl‘ ist dabei ein Euphemismus, denn von vielen, oft sehr entscheidenden Personen wird ja vehement bestritten, dass es sich bei der Schriftstellerei überhaupt um einen Beruf handele“, schreibt der Autor und Anwalt Georg M. Oswald im Vorwort zu dieser großartigen Anthologie.

36 junge Schriftsteller schreiben 36 kurze Texte und gehen ihren ersten Schritt in diesen Beruf, den viele nicht als Beruf akzeptieren wollen. Unter dem ironischen Titel “Landpartie 2010“ veröffentlichen die Studenten der Universität Hildesheim ihre Romananfänge, Kurzgeschichten, Miniaturen, kryptische Gedichte und messen sich indirekt mit “Tippgemeinschaft 2010“, der Anthologie ihrer Autorenkollegen des Deutschen Literaturinstituts in Hildesheim.

Einige verdammt gute Debütanten kommen aus dem Hildesheimer Stall, zuletzt Thomas Klupp (“Paradiso“), Paul Brodowski (”Milch Holz Katzen“), Leif Randt (”Leuchtspielhaus“). Kevin Kuhn eröffnet die Landpartie mit “Ohne Exciter, ohne Distortion“, einer popkulturell gemixten Hysteriegeschichte, wo einem Namen wie Grindhouse und Wilson the Volleyball, Favorite-Playlists und Steve‘s Levigi um die Ohren knallen, während ein Liebespärchen bei amerikanischen Rangern versucht, anständigen Zeltsex zu haben. Die Helden der vielen Stories wollen raus, von Landpartie kann keine Rede sein, wenn es nach Istanbul, Sydney oder Teheran geht.

Frisch sind die Träume von Marius Hulpe: “Mit einer Adelstochter liiert gewesen. Ihr Haar war übertrieben lang und blond, aber besonders hübsch war sie nicht.“ Es gibt einen Partyabsturz von Lara Sielmann, eine Kindergang, die einen geistig Behinderten mobbt (geschrieben von Mareike Schneider). Merken muss man sich auch Jule D. Körber, die gerade ihre Doktorarbeit über “Poetiken deutscher Popsongtexte“ schreibt und in “Landpartie“ von einem Zwillingsbruder erzählt, der seine Schwester schon während der Geburt beinahe mit der Nabelschnur erdrosselte.

Marcel Maas, der bald sein Debüt bei der Frankfurter Verlagsanstalt veröffentlichen wird, cruist mit getuntem Golf durchs Rheinland. Viele gute Geschichten (toll: Kay Steinkes Kürzestberichte aus der überhitzten Agenturwelt), auch ein paar schlechte – aber “Landpartie“ bedeutet Anfang. Richter, Henker und Anwälte kommen früh genug.

(Arthur Dziuk, Lara Sielmann, Nikolas Hoppe, Mischa Mangel (Hg.): “Landpartie ZwanzigZehn – Die literarische Jahresanthologie des Hildesheimer Studiengangs Kreatives Schreiben und Kulturjournalismus“, Edition Pächterhaus, 338 Seiten, 9,90 Euro)

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