Rezension: Rette mich ein bisschen

Der Dortmunder Jörg Thadeusz hat es vom Müllpresser zum Fernseh- und Radiomoderator gebracht. Das klingt wie eine Metapher, nach dem Lebenslauf einer resignierten Helmut-Dietl-Figur.

Tatsächlich bestehen auf den ersten Blick zynisch anmutende Verbindungen zwischen den beiden Jobs. Jörg Thadeusz presst inzwischen nämlich den Abfall der TV-Gesellschaft in neue Formen. Für die WDR-Sendung „Zimmer frei“ besucht er plüschige Altbauwohnungen von Stars wie Rosa von Praunheim und liefert eine pseudo-journalistische Homestory gleich mit. Im NDR sieht man Thadeusz als „Extra-3“-Satiriker, als glänzenden Beobachter einer überdrehten Nachrichtenwelt. „Viele Handwerker die ich kenne, sind aber witziger“, stapelt Thadeusz im Interview tief.

„Rette mich ein bisschen“ heißt der Debütroman des Grimme-Preisträgers: Sanitäter Gunnar verliebt sich beim Einsatz in die hübsche Tochter einer Sterbenden. Sein Leben strauchelt. Nebenbei fechtet er tapfer den WG-Kampf mit Stress-Feministin Jessica aus. Wie kann er in diesem Chaos sich selbst, seinen eigenen Weg finden? Der Roman ist boulevardeske Mediziner-Milieustudie und gut beobachtete Beziehungsreportage.

Thadeusz selbst kann die Aufregung um sein Buch, die Interviewanfragen und ausverkauften Lesungen kaum fassen. „Alles was jetzt passiert ist Luxus“, sagt der 35-Jährige, als er in einem Kölner Café sitzt und auf sein Club-Sandwich wartet – das sich von der gemeinen Käsestulle unterscheidet, auch durch die untergelegte Spitzenservietten, eine geviertelte Brotscheibe und zweckmäßig eingebrachte Zahnstocher. Ein teures Butterbrot. Es passt kaum zum unprätentiösen Thadeusz, den man eher mit der Currywurst-Schale verbindet. Verfeinerungen des Lebens. Er ist vom Malocher und Studienabbrecher zum Zuschauer- wie Zuhörerliebling aufgestiegen. „Ich wollte eben nichts machen, wo man morgens um halb sieben an einem LKW steht und nassen Sand schaufelt.“

Bereits während der Schulzeit arbeitete Thadeusz als Müllpresser. „Ich wurde von meinen Eltern immer großzügig unterstützt, wollte dazu aber auch andere Sachen machen, zum Beispiel Auto fahren.“ Kurz vorm Abitur meldete sich der Eisenbahner-Sohn als Liegewagenschaffner bei der DB, die damals noch keine AG war und von Privatisierung wenig, von Pünktlichkeit jedoch das Eine oder Andere mehr wusste. Thadeusz schlug den Jugoslawien-Touristen während 26-stündiger Sommerfahrten das Bett auf, verkaufte mitgebrachten Kaffee „aus der Thermoskanne und auf eigene Rechnung.“ Eine kleinkriminelle Eselei, die ihm durch Kollegen aufgedrängt wurde. „Das machten damals alle so. Wäre in meiner Kasse mehr als üblich gewesen, hätte ich den Schnitt versaut.“ Und alles wäre aufgeflogen. Danach folgten Jobs als Tankstellenwart, Paketbote und Bauarbeiter. Wobei Thadeusz Letzteres als „gute Schule“ bezeichnet. „Um zu wissen: richtig arbeiten willste aber nicht.“

Der talentierte, junge Mann hatte Glück. 1991 bekam er eine Moderatorenstelle beim WDR-Lokalfunk in Dortmund. 1995 übernahm er die Frühsendung von EinsLive, mit der ein rasanter Aufstieg begann. Höhepunkt ist die Stelle als Außenreporter für „Zimmer frei“. Dort entdeckten zwei Lektorinnen von Kiepenheuer & Witsch „einen besonderen Umgang mit Sprache“ und baten den überbeschäftigten Journalisten um nicht weniger als die Erfüllung seines Traums. Er sollte einen cleveren Roman schreiben.

Die Grundgeschichte von „Rette mich ein bisschen“ stand seit mehreren Jahren. „Ich war damals in der Bretagne und wollte unbedingt ein Buch schreiben“, sagte Thadeusz, „aber als ich das Ganze nach ein paar Tagen las, dachte ich, dies braucht die Welt nun wirklich nicht.“ Bei KiWi, dem Hausverlag von Joschka Fischer, Benjamin von Stuckrad-Barre und Bret Easton Ellis sah man das anders. Erneut zahlt sich das Autoren-Casting des Kölner Hauses aus. Jörg Thadeusz steht möglicherweise am Anfang einer erfolgreichen schriftstellerischen Karriere.

Jörg Thadeusz: „Rette mich ein bisschen“, KiWi, 220 Seiten, 8,90 Euro

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1 Kommentar

  1. […] wenige Texte korrekturgelesen, in der Westdeutschen Zeitung, in der WAZ und im Magazin Bücher mal hier, mal da über ein Buch geschrieben, selbst veröffentlicht (die Romane „Staring at the Sun“ und […]

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