Rezension: Geist gegen Geld

„Hurra!! – Ach nee, doch nicht.“ So könnte das Motto von „Bettermann“ heißen. Der komplexbeladene Germanist Alex heuert bei einer Finanznachrichtenagentur an und glaubt, das große Los gezogen zu haben. Aber das Mittelstandskind kommt in Konstatntin Richters Roman nicht nach oben. 

Es ist nicht leicht, als Sohn eines SPD-Kulturpapas in Deutschlands spießigstem Schnöselviertel zwischen Oberarztkindern und Industriellenerben aufzuwachsen. Der musisch begabte Alex leidet jahrelang unter seiner quirligen, unkonventionellen Mutter, die in Hamburg-Blankenese gerne Anschluss finden würde und wie alle Emporkömmlinge kläglich scheitert. Sie versucht, ihren Alex mit Oliver Bettermann anzufreunden, den herablassenden Anwaltssohn, der nach wenigen Treffen für eine kolossale Blamage sorgt. Alex wird nach dieser unverschuldeten Blamage von Familie Bettermann verstoßen, ist raus aus dem Spiel und arbeitet seitdem vehement an seiner Karriere, um irgendwann den Peinigern seiner Jugend auf Augenhöhe begegnen zu können.

Während seines Germanistikstudiums in München verknallt er sich in Olivers Schwester Anna Bettermann, wird jedoch vom yuppieschönen Robert ausgestochen. Auch als Alex Jahre später in einer Frankfurter Finanznachrichtenagentur anheuert, hören die Demütigungen nicht auf. Seine amerikanischen Kollegen taufen ihn „Deeder, Germany’s Next Top-Model“. – Die Kunst kommt in Alex‘ Leben endgültig zu kurz. Stattdessen muss er mitlachen, wenn in der Mittagspause schlechte Sprüche ausgetauscht werden: „Jeden Morgen, wenn ich aufwache, hab ich eine Latte wie der Balken im Logo von der Deutschen Bank.“ Es ist die alte Geschichte vom Intellektuellen, der sich an die Macht verkauft, seinen Geist gegen Geld eintauscht. Konstantin Richters Debütroman gewinnt nach 130 Seiten an Fahrt, als Alex beauftragt wird, über eine sinkende, alteingesessene Anwaltssozietät zu recherchieren. Ihr Name: „Bettermann & Partner“. Jetzt werden alte Rechnungen beglichen…

Auf dem Coverfoto zeigt sich bereits das komplette Dilemma von „Bettermann“ und seinem kleinen Helden Alex. Der Verlag Kein & Aber hat ein Foto gewählt, auf dem dieser surreale Taucher in voller Montur vor einem nicht weniger surrealen Betonbau steht. In welchem Zusammenhang diese großartig-groteske Szene zum Verlauf der Geschichte steht, soll nicht verraten werden. Aber es zeigt auf den ersten Blick alles, was einen typischen Emporkömmling erkennbar macht: Der Taucher ist overdressed, viel zu streberhaft auf die kleinsten Gefahren (Hochwasser im Finanzviertel) vorbereitet. Und er wirkt kein bisschen lässig, wie er derart verloren vorm Portal ausharrt. Ob ihn jemand reinlassen wird? Konstantin Richter kennt den Schauplatz seiner Geschichte genau: Nach seinem Studium in Edinburgh und New York arbeitete er unter anderem für die „Columbia Journalism Review“ in New York, die „Cambodia Daily“ in Phnom Penh und das „Wall Street Journal“ in Brüssel. Diese Karriere kommt dem Buch durchaus zugute.

(Konstantin Richter: „Bettermann“, Kein & Aber, 238 Seiten, 17,90 Euro)

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