Rezension: Ein Wahnsinnsroman

Jan-Uwe Fitz mag keine Pizzaboten, fühlt sich von Wanderbaustellen verfolgt und hat ein extrem komisches Debüt geschrieben, das bereits auf dem Cover sagt: „Entschuldigen Sie meine Störung.“

Jan-Uwe Fitz hat ein Debüt geschrieben, in dem der Held so heisst wie er selbst und schizophren ist. Beängstigend: Denn Jan-Uwe Fitz hat Angst vor Pizzaboten und Bahn(mit-)reisenden. Und er fühlt sich von einer Wanderbaustelle verfolgt. Dazu ist er über alle Maßen unbeliebt: „Viele gesellschaftliche Gruppen achten mittlerweile peinlichst genau darauf, dass ich möglichst nicht das tue, was sie tun. Die Angler zum Beispiel setzen alles daran, dass ich nicht angle. Die Bäcker setzen alles daran, dass ich nicht backe. Und die Fußball-Fans setzen alles daran, dass ich nicht fußballfanne. Einmal war ich in einem Stadion. Da sind alles sofort zum Handball gegangen.“

Kopflos rettet sich Jan-Uwe Fitz in eine Privatklinik – als „blinder Patient“, ohne Geld. Das ist selbstverständlich ein doppelter Witz, weil sich Insassen gewöhnlicher Nervenheilanstalten gern in einen Napoleon oder Arzt – aber eher selten in einen „Patienten“ verwandeln. Andererseits: Wer hätte das nicht gern? Chefarztbehandlung in einer Privatklinik. Es soll Menschen geben, die für ein Einzelzimmer in derartigen Etablissements töten würde – leider gehört der Held dieses wahnwitzigen Buchs auch dazu. Die Folgen sind fatal.

Nun liegt es nahe, „Entschuldigen Sie meine Störung“ mit Eva Lohmanns Bestseller-Debüt „8 Wochen verrückt“ zu vergleichen. Im Internet werden beide Bücher von neugierigen Kunden oft zusammen verkauft – geht es doch hier wie da um Menschen, die mit einer psychischen Krankheit klarkommen müssen. Allerdings ist „8 Wochen verrückt“ stellenweise sehr melancholisch.

„Und in meinem Buch ist alles absurd“, sagt Jan-Uwe Fitz gegenüber 1LIVE. Nur: Sind Psychosen nicht genau das: absurd? Ist es nicht eine der großen Leistungen von Literatur, dem Absurden eine Stimme zu verleihen? Mag „Entschuldigen Sie meine Störung“ nebenbei auch hochkomisch daherkommen, wie eine Comedy – was bleibt ist die Tragik hinter der Krankheit dieser Figur.

Aber Tragik kann viele Formen annehmen. Das Internetzeitalter hat neben Berufen wie den Content-Manager, den IT-Systemelektroniker oder den Screen-Designer auch Blogger und so genannte „Alpha-Twitterer“ hervorgebracht. Alle lassen inzwischen twittern – Automobilfirmen, Sportvereine, Universitäten und als erfolgreicher Twitterer wird man dafür bezahlt, zum Beispiel mit einem Telekommunikationswerbevertrag wie „Wir nennen es Arbeit“-Autor Sascha Lobo, der nicht nur seinen roten Irokesenhaarschnitt, sondern auch seine klug-große Klappe zum Markenzeichen gemacht hat.

Jan-Uwe Fitz jedoch twittert aus Leidenschaft, also kostenlos, und ist vermutlich der einzige nicht-kommerzielle „Alpha-Twitterer“, der zur Twitter-Top 20 gezählt werden kann. Hauptberuflich arbeitet er als Werbetexter und Drehbuchautor. Privat wird Jan-Uwe Fitz, und das passt wunderbar zum Thema seines Debüts, von zirka 25.000 Twitter-Followern, „nun ja, verfolgt“ (Zitat aus dem Buch). Nach „Entschuldigen Sie meine Störung“ werden es mit Sicherheit noch ein paar mehr sein. Aber die nennt man dann nicht schnöde „Follower“, sondern zu Recht ganz amtlich „Fans“.

Jan-Uwe Fitz: „Entschuldigen Sie meine Störung“ (Ein Wahnsinnsroman), Dumont, 296 Seiten, 8,99 Euro

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