Rezension: Ein Stück weit geil

Giganten der Zärtlichkeit: Comedy-Autor Paulus Vennebusch schenkt der fiktiven Kölschschlagerrockband „Die Papi’s“ eine angemessene Biografie – mit kreischenden Fans, windigen Agenten und ganz viel Eierlikör.

Nachdem die beiden Anfang-Vierzigjährigen Jürgen Schober (Rhönradfan) und Manfred Trenk (Bäcker des Herzens) die Charts gestürmt, alle Feuilleton-Kritiker vergrätzt und zig Boulevard-Schlagzeilen eingeheimst haben wird es Zeit, die „Giganten der Zärtlichkeit“ rückblickend zu ehren. Deshalb kreuzt Journalist Paulus Vennebusch auf, um die beiden Kölschen Jungs zu interviewen, um ihren fulminanten Lebensweg zu recherchieren und runterzuschmieren in einem geradezu vergottenden Heiligenband. Wie wuchsen die Schlagerstars auf? Wie fanden sie als „Papi’s“ in der Entbindungsstation am 15. April 1994 zueinander? Was verbindet ihre zickigen Gattinnen – außer die Liebe zum Geld? Was war das nochmal, als der Streit wegen 1,5 Millionen Euro ausbrach, die ihr windiger Manager Klaus Dremel (der 60 % der Einnahmen kassiert) verlor?

„Natürlich ranken sich viele Gerüchte darum, warum Mutter Melanie Trenk ihren Sohn ausgerechnet nach ihrem damaligen Chef benannte, einem wohlhabenden Spediteur, als dessen persönliche Assistentin Melanie angestellt war. Aber egal, welche Theorien im Internet und bei den Fan-Stammtischen kursieren, alle Mutmaßungen bleiben reine Spekulation. Daddy Uwe Trenk gibt sich heute gelassen : ‚Wir waren so glücklich, dass es den Jungen überhaupt gab – zudem mein Urologe ja hundertprozentig sicher war, dass ich überhaupt keine Kinder zeugen kann ! Da war die Frage nach dem geeigneten Vornamen zweitrangig. Und letztlich sind Namen eh nur Schall und Rauch‘. Eine nur allzu verständliche Ansicht eines Mannes, der seit über einem halben Jahrhundert mit dem Namen ‚Uwe‘ lebt.“

In diesem schnoddrigen, stets auch düstere Seiten des Lebens beleuchtenden Ton hat Paulus Vennebusch die gesamte, zum Schreien komische Bio der fiktiven Band „Die Papi’s“ konzipiert. So viele Einblicke in eine Welt, die Stücke wie „Der weiße Vectra“, „Wir taten es aus Liebe“, „Sabine küsst besser“ oder „Zerrissne Pyjamas“ zu ihren Hymnen zählt, gab es noch nie. Hier wird der Leser konfrontiert mit: Erinnerungen an die Zeit als Bäckermeister, Berichten über Eierlikör-Saufgelagen („Der gelbe Trösterich“), die besten Schlagzeilen über „Die Papi’s“ (‚Darwin irrt : doch keine natürliche Selektion.‘ und die intimsten Augenblicke ihres Ehelebens:

„Conny schenkte dem stolzen Bäckermeister 1994 Zwillinge : Chayenne und Wynona brachten den Eltern viel Freude und Sonnenschein in die Backstube.“ – Währenddessen zählt der Biograf die Einnahmen, als gelte es, dem Erzähler von Thomas Manns „Buddenbrooks“ Konkurrenz zu machen. Übrigens steht er damit den Damen an der Seite von „Die Papi’s“ in nichts nach – zwei verwöhnten Gören, die aus Faulheit und ungewollt früher Schwangerschaft an der Seite ihrer Typen hängengeblieben sind, die bald darauf die Charts stürmen, in einer Zeit, als die Musikindustrie ihre Produkte noch an den Mann bringen konnte.

„Spötter wie Comedy-Urgestein Mike Krüger hingegen führen die respektablen Absatzzahlen darauf zurück, dass  ‚Fans von Die Papi‘s einfach zu blöd zum Brennen sind.'“  So viel Spott kann „Die Papi’s“ nichts anhaben – Jürgen Schober entdeckt irgendwann die fernöstliche Kultur für sich: „Grüner Tee, anzügliche Manga-Comics und gelegentliche Karate-Nachmittage waren im Hause Schober bald keine Seltenheit mehr.“ – Wer noch mehr intime Einblicke in das Leben dieser unverwüstlichen Grinsesänger bekommen möchte, der sollte sich auf jeden Fall deren Homepage anschauen, wo alle Tourtermine aufgelistet sind:

11.1., 16 h: Einweihung des neuen Altglascontainers am Kölner Südfriedhof (ausverkauft!) 18.1., 9 h: Zahnarzttermin Jürgen Schober (Vorsorge), Praxis Dr. Wolfgang Maronna, Ubierring, Köln und üppig präsentierte Privatfotos zeigen, wie die Schobers und die Trenks  gemeinsam ihre Steuerrückzahlung 2004 feiern oder auch das verschollenen geglaubte Plakat zur „unvergessenen ‚Marathon der Emotionen‘-Tour“. Ein Wunder, dass die beiden Kölner bei so viel Bewunderung, Frauenhysterie und Eierlikör auf dem Teppich geblieben sind. Das beweist ein Zitat, das zwischen den knalligen, erfolgsgesättigten Zeilen der Biografie beinahe untergegangen wäre: „Natürlich gibt es bessere Pianisten als mich“, gesteht Manfred Trenk irgendwann freimütig, „aber für das, was ich ausdrücken will, reicht es ! Einfache Dinge erfordern eine einfache Sprache!“ Das ist wahre Sympathie, aus dem Bauch heraus, ehrlich und gerade.

Paulus Vennebusch: „Giganten der Zärtlichkeit – Die unglaubliche Geschichte von ‚Die Papi’s'“, Piper, 240 Seiten, 8,95 Euro

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