Die Drei ??? und die Postmoderne

Der Hörspielmarkt boomt. Menschen, die eigentlich erwachsen sein wollten, holen sich die Helden ihrer Kinderheit auf den CD-Player oder iPod. TKKG, Die Drei ???, Dr. Mabuse, John Sinclair, aber auch Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg – das ist Nostalgie und Nerd-Feeling für lange Pendelfahrten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz.

Doch was macht die Generation Playmobil, wenn auch die letzte Kassette endgültig abgehört ist? Sie flüchtet sich in den Remix. Das ausverkaufte Vollplaybacktheater in Wuppertal ist der Beweis. Die Truppe bedient den beständig wachsenden Erinnerungsmarkt mit ihrer aktuellen Drei ???-Tournee. Vollplayback, das bedeutet: Während der Kassettentext aus den Boxen tönt, spielen Doktor Thomas, David Becher, Käpt’n SupaKnut, Sven Blievernicht und Britta Lemon auf der Bühne ihre schräge und abstruse Version des Detektivabenteuers – stumm, versteht sich, nur die Münder bewegen sich zum Text.

Die Geschichte des aktuellen Stücks „Die Drei ??? und der Teufelsberg“ (Folge 19) ist leicht erzählt. Immerhin wurde sie Mitte der siebziger Jahre für Kinder unterhalb des Teenageralters geschrieben: Die Drei ???, Justus, Bob und Peter, lösen während der zweistündigen Show das Rätsel eines angeblichen Ungeheuers in einem Berg. Und weil Vernunft damals zum pädagogischen Ansatz der Reihe gehörte, findet das Trio natürlich am Schluß eine logische Erklärung. Freilich nicht ohne finstere, Diamanten raubende Gestalten, die ihr Unwesen im verwunschenen Versteck treiben. Die Drei ??? sind schließlich Detektive.

Das alles ist dem Publikum längst bekannt. Das Heimliche ist nicht mehr unheimlich, denn wer ins „Vollplaybacktheater“ kommt, kennt die Geschichten sowieso. Es geht nicht um Spannung, sondern um das Spiel mit den alten Geschichten und der Welt von heute.  So werden die neunmalklugen Ideen des Drei ???-Genies Justus auf der Leinwand nachgerechnet und dabei als Unsinn entlarvt. Oder: Die Nachwuchsdetektive verstecken sich hinter „dichten Büschen“ und der Projektor wirft ein Doppelportrait von Bush Junior und Bush Senior an die Wand – beide mit dicken Joints im Mund, also „dicht“. Alles klar?

Erzähler ist Achim Höppner, der in den „Herr der Ringe“-Hörspielen den Zauberer Gandalf spricht. Dieses Spiel mit Querverweisen ist typisch für das Vollplaybacktheater. Es gibt thematische Brüche und Wechsel zwischen verschiedenen Hörspielen. Morton, der Chauffeur der Drei ???, setzt plötzlich eine gelbe Papp-Perücke auf und kämpft als Geisterjäger John Sinclair gegen Darth Vader, den Bösewicht aus Star Wars. Oder der dicke Justus zieht heimlich ein TKKG-Shirt an, fischt eine Schokoladentafel aus seiner Hosentasche und steht als Klößchen einem erschreckend banalen Problemen gegenüber: „Wo ist Gabis Puderdose?“ Zwischendurch zitiert das Ensemble Monty Python oder parodiert mit einer „Sieben Sekunden in Tibet“-Einlage den Dalai Lama.

In der Musik wurde dieses Prinzip durch den HipHop perfektioniert: Aus Versatzstücken anderer Werke (den Samples) entsteht etwas Neues, Einzigartiges. Auch abend- und kassenfüllende Filme wurden nach diesem Verfahren bereits gedreht: Die Scream-Reihe von Wes Craven bestand zu großen Teilen aus Genre-Zitaten. Gleiches gilt für Fernsehserien wie Gilmour Girls oder Buffy, im Bann der Dämonen. Das Vollplaybacktheater geht einen ähnlichen Weg. Nur die Samples sind hier von besonderer Art. Die Frage heißt nicht: „Kennst Du, hast Du auch gesehen?“ sondern „Weißt Du noch…?“

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