Clubkultur: Von Scratchern und Dr. Alban

Ein DJ wird Europameister und auf der Uni-Party läuft Massenmusik. (Beitragsbild: Till van Loosen)

Zwei gegensätzliche Ereignisse haben vergangene Woche Wuppertals Clubszene überrascht. Turntabelism-DJ Sedat Hatun gewann in Dublin den ITF-Europameisterschaftstitel im Scratching – und am anderen Ende der Plattenkunst bewies Deniz Erdogans Uniparty, dass billige Beats und Formatradioklänge eine Mensa füllen können. – Aber zunächst zum bekannten „Roxy“-Club in Prags Innenstadt, wo der neue Europameister Sedat Hatun unter seinem DJ-Namen „Unkut“ mit Kollegen aus 30 Ländern seine Sets präsentieren wird. Wer den Mann schon einmal an den Plattenspielern gesehen hat, der erkennt in jeder seiner Scratching-Bewegungen, in jedem Vinylwechsel das jahrelange Training.

In Prag warten dann die großen Turntabelism-Tiere aus den Wuppertaler, wie Live-Act Non Phixion aus den USA, die alte und neue Schule der Disziplin vereinen. Diese Schulen gibt es tatsächlich, eine wahre Historie des HipHop, der wie kaum eine andere Musikrichtung von Beginn an seine Geschichte aufgeschrieben hat, beispielsweise in den zahlreichen Fanmagazinen. Zu dieser lückenlos beobachteten Reihe gehört nun auch Unkut, der vielleicht schon im Februar irgendeinen Wuppertaler Club unterhalten will. „Dann mit Gitarrenbegleitung“, sagt er, „außerdem möchte ich mit der örtlichen Jazzszene kooperieren.“

So viel musikalischer Gestaltungswille ist bei einer schichtübergreifenden Uniparty natürlich fehl am Platz, weshalb die Veranstaltung am Samstag unter anderen Gesichtspunkten bewertet werden muss. Wer Haddaway und Dr. Alban durch die Boxen jagt, hat natürlich andere Ambitionen. „Wir arbeiten eng mit der Wirtschafts- und der Sport-Fakultät zusammen“, erklärte Veranstalter Deniz Erdogan, „außerdem macht die Trendcard mit.“ – Und schon ist die Latte aufs richtige Level gelegt.

Alle Besucher wurden glänzend auf jenem vernünftigen Niveau unterhalten, das Seminare, Scheine und schöngeistige Diskussionen vergessen lässt. Mädchen in knappen Shirts tanzten an imaginären Stripteasestangen, während ihre braungebrannten Jungs umherblickten wie Schauspieler eines deutschen Quentin-Tarantino-Remakes. DJ Atilla, bekannt von den lokalen „Housebesuche“-Partys, DJ Koup vom Pavillon-Soulspektakel und Querbeet-Aufleger DJ Todt wechselten einander ab. Diese Plastikbecher-Party verband geschickt Ansprüche, wie sie in der Börse, in der Villa Media und im Chamäleon wöchentlich erfüllt werden, mit Massengeschmack, ruhigem Publikum, netten Türstehern und preiswerten Getränken. Schön. Schön.

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