Rezension: Bauhaus und Black Power

Zu den Beats von Grandmaster Flash erlebt ein 15-Jähriger einen Long Island-Sommer.

„Ein Plattenteller, und man hörte gern Musik. Zwei Plattenteller, und man war ein Künstler.“ Diese Weisheit kommt vom amerikanischen Schriftsteller Colson Whitehead, der vom B-Boy-Leben in den 80ern erzählt, von HipHop, Soul und einem 15-jährigen schwarzen Jungen, der trotz Afro-Frisur ein Fan der britischen Gothic-Band „Bauhaus“ ist. „Wir waren eine Cosby-Familie, auf dem Papier vorbildlich. So hieß das im Jargon. Der Vater Arzt, die Mutter Anwältin. Drei Kinder, alle auf Privatschulen, mit sauberen Fingernägeln und Manieren.“

Ganz schön spießig, wie beim 80er-Jahre-Serienstar: Neureiche schwarze Kids reissen nicht die Faust in die Höhe und schreien „Black Power“, sie gehen regelmäßig zum Zahnarzt, müssen mit ihren Eltern ganz langweilig grillen, gute Noten nach Hause bringen – fehlt eigentlich nur die Schrankwand in „Gelsenkirchener Barock“. Dennoch schießen sie oft genug quer – da werden Gartenmöbel angezündet, mit Luftdruckknarren rumgeballert (in einer Art Gotcha-Frühform). Die Figuren proben hier den kleinbürgerlichen Jungsaufstand.

So schaut er also aus, der Sommer im Badeort Sag Harbor bei New York. Nebenbei arbeitet der adoleszente Held im Eissalon, verknallt sich zum ersten Mal und erträgt seinen Mittelstandsvater, der sich extrem damit beschäftigt, kein bisschen „Black Proud“ oder „Bronx“-like rüberzukommen.Dieser Roman ist stellenweise smooth wie sechs Wochen Sommerferien, dann wieder nervös wie eine springende Vinyl. Dieser Schriftsteller befindet sich ganz klar auf Pulitzerpreis-Kurs.

Colson Whitehead: „Der letzte Sommer auf Long Island“, übersetzt von Nikolaus Stingl, Hanser Verlag, 332 Seiten, 21,90 Euro

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